Ravi Shankar
Spirituelle Kraft
von Ruth Renée Reif
7. April 2020
Der Geburtstag von Ravi Shankar, der Ikone der klassischen indischen Musik, jährt sich am 7. April 2020 zum 100. Mal.
Anoushka Shankar und Norah Jones feiern die Erinnerung an ihren Vater Ravi Shankar, der vor 100 Jahren in Varanasi zur Welt kam.
Brückenschlag zwischen Ost und West
Mit Kompositionen wie dem Concert Nr. 1 für Orchester und Sitar, das vom London Philharmonic Orchestra unter Zubin Mehta uraufgeführt wurde, oder dem Stück für Sitar und Cello, das Mstislaw Rostropowitsch zur Uraufführung brachte, vollzog Ravi Shankar den Brückenschlag zwischen Ost und West. 1955 wurde er von Yehudi Menuhin zu einem Konzert nach New York eingeladen. Im Jahr darauf reiste er an. In der Folge begab er sich auf eine Tournee durch Europa, die USA und Australien. Es war die spirituelle Kraft seiner Musik, die die Menschen begeisterte.
Beim Geburtstagskonzert in Los Angeles ist neben Freunden, Schülern und Familienmitgliedern auch der Gitarrist Dhani Harrison, der Sohn von George Harrison, zur Mitwirkung eingeladen. Als er neun Jahre alt war, nahm sein Vater mit ihm und Ravi Shankar das Lied Ride Rajbun auf.
Der höchsten Wahrheit teilhaftig
Musik wurde in Indien praktiziert, um der höchsten Wahrheit teilhaftig zu werden. Das indische System der Melodietypen, der sogenannten Ragas, die von den Musikern immer wieder neu interpretiert und ornamentiert werden, steht in Wechselwirkung mit der Vorstellung, die der Mensch von sich und seinem Platz im Universum entwirft. Nicht Originalität ist das Ziel indischer Musiker, sondern Vervollkommnung des Ausdrucks der in den Ragas enthaltenen geistigen Botschaften.
Anoushka Shankar wurde von ihrem Vater in klassischer indischer Musik ausgebildet. Sie ist Virtuosin auf dem Sitar, einer aus Persien stammenden Langhalslaute, die als wichtigstes Instrument der indischen Musiktradition gilt. Heute kann sie sich als die einzige Musikerin bezeichnen, die ihre Ausbildung vollständig von Ravi Shankar erhielt. In ihren Kompositionen versteht sie es, das klassische Erbe weiterzuentwickeln, sich anderen Einflüssen zu öffnen und ihrer eigenen kreativen Stimme Ausdruck zu verleihen.
Stimmungen der Entrücktheit
Philip Glass empfing in der Begegnung mit Ravi Shankar den entscheidenden Impuls für seinen kompositorischen Weg. Nach Studien in Chicago und New York setzte er 1963 bei Nadia Boulanger in Paris seine Ausbildung fort. Dort lernte er Ravi Shankar kennen. Er befand sich damals auf der Suche nach Klangerfahrungen außerhalb der westlichen Tradition. Und Ravi Shankar führte ihn bereitwillig ein in das System der klassischen indischen Melodie- und Rhythmustypen, mit denen der Musiker eine bestimmte Stimmung, aber auch seine Persönlichkeit zum Ausdruck bringt.
Im unendlichen Fluss dieser Musik fand Glass die Inspiration, musikalische Strukturen aus rhythmischen zu gewinnen. Er erprobte die Anwendung im eigenen kompositorischen Schaffen. Anstelle der rhythmischen Strukturen verwendete er einfache Wiederholungsmuster, die dem Zuhörer ebenfalls Stimmungen der Entrücktheit vermitteln. Beim Geburtstagskonzert in New York steht er gemeinsam mit Anoushka Shankar auf der Bühne.
Los Angeles, Walt Disney Concert Hall, 19. Mai 2020
Informationen: www.laphil.com
Chicago, Symphony Center, 22. Mai 2020
Informationen: www.cso.org
New York, Carnegie Hall, 29. Mai 2020
Informationen: www.carnegiehall.org
Weitere Informationen: www.ravishankar.org
Der Bayerische Rundfunk hat auf seiner Website eine Playlist mit Videos und Musik zu Ravi Shankar erstellt: www.br-klassik.de