Robert Menasse
Rhapsodie der europäischen Idee
von Roland H. Dippel
7. Februar 2023
Robert Menasse hat mit »Die Erweiterung« eine Fortsetzung seines Hauptstadt-Romans verfasst und erzählt von zwei Blutsbrüdern, deren Verbundenheit sich in unversöhnliche Feindschaft von europäischer Dimension verwandelt.
„Die Idee der Nationalstaaten innerhalb dieser großen europäischen Idee funktioniert einfach nicht.“ sagt Robert Menasse anlässlich der Fortsetzung seines Romans Die Hauptstadt. Die Erweiterung schlägt einen riesigen Bogen von Wien über Polen bis Albanien. Wieder sind es oft passionierte und fast immer ratlose Menschen, die sich in Menasses Beschreibung des diplomatischen EU-Gestrüpps verfranzen und nebenbei auch etwas Glück im Leben suchen. Am Ende des ersten Teils verdichtet der Empfänger zahlreicher wichtiger Literaturpreise Theorie, Absicht und intellektuellen Antrieb dieser leichten wie dichten Prosa: „Alle Diktaturen sind ähnlich. Aber unterdrückt fühlt sich jeder Einzelne auf eigene Art“, paraphrasiert er den Beginn von Anna Karenina und ergänzt mit einem Seitenblick auf die Diversitäts- und Identitätsdebatten: „Da stehen doch nicht verschieden Unterdrückte auf, sondern gleichermaßen Unterdrückte!“ Es ist eine höchst raffinierte Handlungsidee: Der diplomatische und eigentlich schon im April 1989 in Polen beginnende Staatendisput erhitzt sich mit der Rückgabeforderung des im Kunsthistorischen Museum Wien ausgestellten Skanderbeg-Helms durch Albanien. Wo sind die Grenzen zwischen Symbol- und Realpolitik? – Menasse kommt zu ernüchternden Resümees: „Und wenn sie Sicherheit wollen, dann gib ihnen einen Polizeistaat, mit Pornos und Modemagazinen, ich garantiere dir: Wenn sie sich sicher fühlen, pfeifen sie auf Demokratie!“ Das Panorama eines Kontinents.