Sophia Loren
»Ich habe wieder Lust, mehr zu drehen.«
von Barbara Schulz
31. Januar 2021
Sophia Loren spielt wieder! Die Frau, die wie keine andere Italien verkörpert, steht mit einem neuen Film im Rampenlicht und vermutlich nicht zum letzten Mal. Denn sie sprüht vor Vitalität.
CRESCENDO: Frau Loren, jahrelang waren Sie als Schauspielerin von der Bildfläche verschwunden. Erst jetzt sind Sie wieder in dem Netflix-Film Du hast das Leben vor dir zu sehen. Weshalb die lange Pause?
Sophia Loren: Ich habe im Lauf meiner Karriere so viel gearbeitet, da war es an der Zeit, dass ich mich noch mehr meiner Familie widmete. Ich hatte die Schauspielerei auch schon früher eingeschränkt, weil ich Zeit für meine Kinder haben wollte. Jetzt wollte ich mich noch mehr mit meinen Enkeln beschäftigen. Abgesehen davon: Warum hätte ich mich für einen Film hergeben sollen, der es nicht wert ist? Dann fragen sich die Zuschauer: Warum hat sie den nur gemacht? Ich suche nach guten Geschichten, die sich mit dem Hier und Jetzt beschäftigen. Und erst als mir mein Sohn Edoardo das Drehbuch zu Du hast das Leben vor dir schickte, wurde das meinen Anforderungen gerecht.
Sie spielen in diesem Film eine Holocaust-Überlebende. Empfanden Sie die Thematik von Sterben und Tod nicht sehr bedrückend?
Nun, ich halte diesen Film nicht für düster, er ist lebensbejahend. Er spiegelt auch meine eigene Haltung wider. Ich glaube an einen Gott, der mich beschützt. Ich glaube an ein ewiges Leben. Mit dem Tod ist nicht alles vorbei. Deshalb müssen wir auch positiv denken. Wir können nicht einfach sagen: Ich will nicht mehr… Und wenn es nicht anders geht, dann müssen wir eben beten. Was ich auch tue. Aber ich denke noch nicht an den Tod. Ich fühle mich jung, ich bin gesund, ich möchte weiterarbeiten. Und nach diesem Film habe ich auch wieder Lust, mehr zu drehen.
Wie jung sind Sie Ihrem Gefühl nach?
So 25 oder 30. Wobei ich zugegebenermaßen mit 30 schöner war. Aber ich denke, ich habe auch einen guten Charakter, der mich jung hält.
Wieso glauben Sie das?
Weil ich aus Neapel komme. Ich mag es, Spaß zu haben, ich genieße es, Menschen um mich zu haben, vor allem, wenn sie Sinn für Humor haben. Und das ist aus meiner Sicht die richtige Lebenseinstellung. Wenn man älter wird, ist die besonders wichtig. Man kann nicht einfach sagen Mamma mia, was bin ich alt. Nein, nein, Kopf hoch!«
»Ich weiß nicht, ob ein Kind, das im Wohlstand aufwächst, die wahre Bedeutung des Lebens kennt.«
Sie hatten eine harte Kindheit in den Kriegsjahren. Haben Sie diese schlimmen Erfahrungen verdrängt?
Absolut nicht. Diese Erinnerungen werden nie verschwinden. Es gab wenig zu essen, ein Stück Brot war schon ein Fest. Ich konnte nachts nicht schlafen, weil die Bomben fielen. Das vergesse ich nie – nie! Das ist in meinem Blut. Aber als der Krieg vorbei war und ich älter wurde, da wollte ich das Leben genießen. Ich wollte in die Zukunft schauen. Wenn man so etwas durchgemacht hat, dann versucht man, so viel vom Leben abzubekommen, wie man nur kann.
Sie würden nicht auf diese Erfahrungen verzichten wollen?
Nein, denn sie haben mich auch weiser gemacht. Ich habe das Leben so richtig zu schätzen zu gelernt. Ich weiß nicht, ob ein Kind, das im Wohlstand aufwächst, die wahre Bedeutung des Lebens kennt. Und letztlich habe ich auch meine schauspielerischen Erfolge diesen Erfahrungen zu verdanken. Als ich das Kriegsdrama Und dennoch leben sie drehte, wurden meine Erinnerungen an jene schweren Zeiten wieder lebendig. Ich hätte die Rolle einer Mutter, die mit ihrer Tochter in den Kriegswirrungen Traumatisches erlebt, sonst nicht glaubhaft spielen können. Und am Schluss bekam ich sogar einen Oscar dafür.
Hatten Sie als junges Mädchen von so einem Erfolg geträumt?
Das war völlig unvorstellbar. Als ich mit der Schauspielerei anfing, kam mir das noch unwirklich vor. Ich wusste auch, dass ich noch so viel zu lernen hatte. Am Anfang war es wirklich schwierig für mich. Ich habe es auch nur geschafft, weil ich die richtigen Leute traf. Allen voran der Regisseur Vittorio De Sica, mit dem ich ja dann später Und dennoch leben sie drehen sollte. Er gab mir die Chance, mich zu beweisen. Bei unserem ersten Projekt wollte mich die Produktion nur als Statistin einsetzen, aber er meinte: ‚Nein, aus Sophia wird eine richtige Schauspielerin.‘ So entwickelte sich eine wunderbare Zusammenarbeit, die wie eine Schauspielschule für mich war. Wir verstanden uns wohl auch deshalb so gut, weil wir beide aus Neapel kamen.
Sie haben unzählige Filme gedreht. Haben Sie überall Ihr ganzes Talent gezeigt?
Ich würde sagen, dass es etwa zehn Filme gibt, in denen ich alles geben konnte. Und das deshalb, weil ich da mit den richtigen Kollegen zusammengearbeitet habe. Dazu gehören beispielsweise Scheidung auf Italienisch oder Die Gräfin von Hongkong. Letzterer ist zwar von der Kritik verrissen worden, aber dafür konnte ich mit Charlie Chaplin arbeiten. Das hat mir sehr viel bedeutet.
»Man darf nicht über das nachgrübeln, was man bedauert. Man muss positiv sein.«
Sie waren auch musikalisch aktiv, haben Songs aufgenommen. Welche Ihrer Musikveröffentlichungen bedeutet Ihnen am meisten?
Das ist wahrscheinlich eine CD mit einer Aufnahme von Peter und der Wolf. Kent Nagano dirigiert das russische Nationalorchester, und ich erzähle die Geschichte. Dafür gewannen wir sogar einen Grammy. Aber sie bedeutet mir deshalb so viel, weil das für einen wohltätigen Zweck war – für behinderte Kinder in Russland. Ich bin sehr glücklich, dass ich auf diese Weise etwas Positives für ihr Leben bewirken konnte.
In Du hast das Leben vor Dir kümmern Sie sich um Kinder. Worin finden Sie Ihren Sinn?
In den kleinsten Dingen. Indem ich etwas mache, was ich liebe. Indem ich Zeit mit Menschen verbringe, die mir etwas bedeuten – in erster Linie natürlich mit meinen Kindern und Enkeln. Sie sind das Schönste, was mir im Leben passiert ist. Aber um diese Freude wirklich erfahren zu können, musst man das Leben eben schätzen. Will man lieben oder sich schlechten Gedanken hingeben? Ich ziehe es vor zu lieben.
Und es gibt nichts, was Sie aus heutiger Sicht anders machen würden?
Ich bereue nichts. Ich habe erreicht, was ich beruflich erreichen wollte. Ich wollte Schauspielerin werden, und die bin ich geworden. Aber ich habe hart dafür gearbeitet. Ich wollte eine Familie. Schließlich wollte ich etwas Gutes für Menschen bewirken. Und auch das ist mir zum Glück gelungen. Man darf nicht über das nachgrübeln, was man bedauert. Denn dann hängt man nur negativen Gedanken nach. Man muss positiv sein. Merken Sie sich das: Denken Sie positiv!
Weitere Informationen zu dem Film: Du hast das Leben vor dir (6. November 2020) von Edoardo Ponti mit Sophia Loren als Madame Rosa und Ibrahima Gueye als Momò unter: www.netflix.com
Weitere Informationen zu dem Dokumentarfilm: Was würde Sophia Loren tun?/What Would Sophia Loren Do? (15. Januar 2021, OmU) unter: www.netflix.com