Magnus Lindgren
Der Charme der Nachgeborenen
von Ralf Dombrowski
23. Dezember 2022
Das Theo Croker Quartet und die Mitglieder der Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Magnus Lindgren brachten, kuratiert von Siggi Loch, am 27. November 2021 eine Hommage an Miles Davies auf die Bühne der Berliner Philharmonie.
Man hörte Miles Davis die Überraschung an. Gil Evans hatte einen Orchesterkosmos im Third-Stream-Modus zurechtarrangiert, und der funktionierte so gut, dass der Trompeter seine coolboppenden Gewohnheiten auf ästhetische Passgenauigkeit befragen musste. Die Aufnahmen wurden Klassiker und fordern nachfolgende Generationen bis heute heraus, ihrer Diskursivität auf die Schliche zu kommen.
Der Saxofonist Magnus Lindgren versuchte es im November 2021 in der Berliner Philharmonie und schneiderte den drei Evans / Davis-Album-Monumenten mit Hans Ek neue Suite-Gewänder. Das Orchester von einst verkörperte eine Auswahl der Berliner Philharmoniker, das instrumentale Erbe der Trompeter Theo Croker, im großen Rahmen und mit Quartett-Exkursen in Miles’ modale Phase. Musikalisch hat es den Charme der Nachgeborenen, gedanklich, strukturell, interpretatorisch perfekt, im Falle Crokers geschmeidig phrasierend mit umfassend vollem Ton. Überrascht aber wird kaum noch jemand. Das war das Privileg der Originale.