Volker Hagedorn

Flam­mender Aufbruch

von Antje Rößler

12. April 2022

Der Autor und Musiker Volker Hagedorn erinnert in seinem Buch »Flammen« an die Aufbruchsstimmung vor dem Ersten Weltkrieg.

So viel Aufbruch binnen weniger Jahre gab es wohl nie zuvor. Zwischen Jahr­hun­dert­wende und Erstem Welt­krieg geschahen Verän­de­rungen in schwin­del­erre­gender Dichte. Auch in der Musik wurden Grenzen gesprengt. Werke aus jener Zeit, von Pelléas et Méli­sande bis zu Wozzeck fordern uns noch immer heraus. Volker Hage­dorn breitet in seinem Buch Flammen das Panorama dieser Epoche farben­reich aus. Musi­ka­li­sche Entwick­lungen schil­dert er vor dem Hinter­grund von Dreyfus-Affäre, Freuds Traum­deu­tung oder den Balkan­kriegen. Der anek­do­ten­reiche Band hat durchaus die Schmöker-Qualität eines histo­ri­schen Romans. Der Autor beschränkt sich nicht auf die Achse Mahler-Schön­berg. Zwei Prot­ago­nisten führen durch die Fülle von Ereig­nissen: der Fran­zose und die engli­sche Kompo­nistin Ethel Smith, die Frauen liebte und für deren Wahl­recht kämpfte. Auf beider Pfaden begegnet der Leser bei der Instru­men­ta­tion seiner Alpen­sin­fonie oder kann den Skandal um Stra­win­skis Le sacre du prin­temps miter­leben. Volker Hage­dorn balan­ciert gekonnt im Grenz­be­reich zwischen Erzäh­lung und Sach­buch. Wo die Archive Lücken lassen und die histo­ri­schen Quellen abstrakt bleiben, springt er mit Fantasie und psycho­lo­gi­sie­render Einfüh­lung ein. Das wirkt aber nie unse­riös, da die Über­gänge sorgsam gekenn­zeichnet sind; zudem belegt das umfang­reiche Lite­ratur- und Quel­len­ver­zeichnis den Anspruch des Autors.