Musical "Wonderland" in Linz

Eine knallig bunte Ode an die Phan­tasie und das Glück der Kind­heit

von Dorothea Walchshäusl

8. November 2024

Am Linzer Landestheater ist derzeit das Musical „Wonderland“ zu erleben. Ein sinnliches Spektakel, das Alice auf eine faszinierende Reise schickt zu sich selbst.

Die Warnung kommt gleich zu Beginn: „Achtung, hiermit laden Sie eine alter­na­tive Realität herunter. Sind Sie sicher?“ prangt in großen Lettern auf der einge­blen­deten Compu­ter­ober­fläche auf der Video­lein­wand. Dann erklingen die ersten Akkorde des Musi­cals „Wonder­land“, wir verlassen die Realität und das Spiel beginnt am Linzer Landes­theater. „Inspi­riert von und nicht ganz genau nach den Büchern von “, wie im Programm­heft zu lesen ist, ist die deutsch­spra­chige Erst­auf­füh­rung von „Wonder­land“ (Insze­nie­rung: Chris­toph Drewitz, Drama­turgie: ) ein herr­lich verrücktes Spek­takel mit ernster Botschaft geworden: eine Ode an die Phan­tasie und die kind­liche Intui­tion.
Alice (Valerie Luksch), die zentrale Figur des eins­tigen Kinder­buchs, ist in längst in der schwarz-weiß gezeich­neten Erwach­se­nen­welt ange­kommen: eine vom Ehrgeiz getrie­bene Karrie­re­frau und Entwick­lerin von Compu­ter­spielen, in Tren­nung lebend von ihrem Mann und hadernd mit ihrer Rolle als allein­er­zie­hender Mutter. Dann aber steckt ihr ihre kleine Tochter ein Stoff­tier­ka­nin­chen als Glücks­bringer unter den Arm und wenige Stunden später taucht Alice durch einen Traum ein in jenes „Land voller Wunder, Geheim­nisse und Gefahren“ und entdeckt einen „Ort, wie keinen anderen auf der Welt“. Ihre Aufgabe im irrwit­zigen Spiel: „Finde heraus, wer du bist!“

Leichter gesagt als getan, schließ­lich ist die Iden­tität eine „kniff­lige Geschichte“, wie es in einem der rockig verjazzten Songs (Musik von Frank Wild­horn) heißt. Deshalb steht Alice eine mit Hingabe über­zeich­nete und mit fantas­ti­schen Bildern ausge­malte Reise bevor mitten hinein in ein sinn­li­ches Wunder­ka­bi­nett (Ausstat­tung Andrew D. Edwards und Adam Nee) voll schriller Typen und launiger Figuren, unter denen sich Zucker­wat­te­köpfe mit Donut­brillen ebenso finden wie laszive Flamingos, schmol­lende Schach­fi­guren und Tango-tanzende Löwen. Dabei dürfen natür­lich auch die Charak­tere des Origi­nals nicht fehlen, allen voran die Grin­se­katze (Enrico Treuse), der verrückte Hutma­cher (Sanne Mieloo) und die Herz­kö­nigin (Daniela Dett). Alle­samt sind sie stark besetzt und haben sicht­lich Spaß an der expres­siven Ausdeu­tung ihrer plas­ti­schen Figur. Die Club-Wonder­land-Band unter Leitung von Tom Bitter­lich sorgt dabei für einen fetzigen Grund­sound mit perkus­siven Elementen, bei dem nur die Verständ­lich­keit der Texte manchmal leidet
Inmitten eines futu­ris­ti­schen Bühnen­bilds samt neon-farbenen Faden­ge­flechts an der Decke, bei dem die Dreh­bühne im Dauer­ein­satz ist und die verschie­denen Stationen rasant an den Zuschauern vorbei­ziehen, macht sich Alice auf die Suche nach ihrer verlo­renen Kind­heit und begegnet schließ­lich sich selbst als kleinem Mädchen, erfüllt von Träumen und Magie.

Kitsch ist am Ende frei­lich erlaubt in dieser kunter­bunten Welt: Alice wendet der unmensch­li­chen Geschäfts­welt und Karriere den Rücken zu und bekehrt sich zur Liebe. Freu­den­tränen auf der Bühne und Jubel im Publikum. Und die Moral von der Geschicht? Ein biss­chen Psycho­ana­lyse schadet nicht und Kindes­mund tut Wahr­heit kund. Oder wie sagt es ein Best­seller so schön: „Das innere Kind muss Heimat finden“.

Fotos: Herwig Prammer