Theaterakademie August Everding
Krieg und Frieden
von Antoinette Schmelter-Kaiser
11. März 2024
Studierende der Theaterakademie August Everding verlegen die Oper »Zanaida« von Johann Christian Bach in einen überdimensionalen Webrahmen. In seinem komplexen Geflecht wird dramatisch mit Liebe, Machthunger, Anstand, Willkür und Verzeihen gerungen.
Katya Semenisty hat keine Stimme, Harpa Ósk Björnsdóttir gerade eine Stimmbandentzündung hinter sich: Bei der Première der Oper Zanaida im Münchner Prinzregententheater sind ausgerechnet zwei Hauptprotagonistinnen von der Theaterakademie August Everding gesundheitlich angeschlagen. Doch man weiß sich zu helfen: Den Gesangspart von Tamasse übernimmt die Mezzosopranistin Céline Akçağ vom Bühnenrand aus, während Katya Semenisty die Figur szenisch darstellt. Und Harpa Ósk Björnsdóttir zügelt ihren Sopran, soweit das die Belcanto-Koloraturen ihrer Rolle als Zanaida erlauben.
Abgesehen von diesen erschwerten Bedingungen geht bei der Aufführung des 1763 uraufgeführten, dann aber 250 Jahre verschollenen „Dramma per musica“ von Johann Christian Bach alles glatt über die Bühne – obwohl deren Gestaltung allen Beteiligen ein extrem genaues Timing und präzise Interaktion abverlangt. Sie bewegen sich nämlich in einem überdimensionalen Webrahmen, dessen meterlange Kettfäden einen hohen Raum überspannen und in verschiedensten Funktionen immer wieder verschoben, gedreht und verschränkt oder für Videoprojektionen sowie Lichteffekte und sogar als Fesseln genutzt werden.
Diese fantasievollen Variationen des Bühnenbilds von Edith Kollath ergeben wechselnde Szenerien, die ebenso ästhetisch wie effektvoll sind. Farbtupfer vor, hinter und zwischen diesem komplexen Geflecht sind zwei Figurengruppen, deren Zugehörigkeit an Abschattierungen von Orange, die Persien symbolisieren, und Violetttönen für die Türkei erkennbar ist. Denn zwischen diesen beiden Reichen wurde nach einem verheerenden Krieg Frieden geschlossen, den die Heirat des persischen Herrschers Tamasse mit der türkischen Prinzessin Zanaida besiegeln soll. Doch Tamasse hat sich inzwischen in die türkische Geisel Osira verliebt und will eine Auflösung des Eheversprechens erreichen, indem er Zanaida durch eine skrupellose Intrige der Untreue bezichtigt. Die Fäden im Hintergrund versucht Roselane als herrschsüchtige Mutter von Tamasse zu ziehen. Doch am Ende verstrickt sie sich in ihre eigenen Winkelzüge.
In drei Akten exerziert Sabine Hartmannshenn in ihrer Zanaida-Inszenierung das Ringen zwischen Liebe und Pflichtgefühl, Machthunger und Anstand, egoistischer Willkür und großherzigem Verzeihen durch. Die Strichfassung dafür haben die Dramaturgiestudierenden Esther Beisecker und Jurij Kowol auf der Basis von Bachs Vorlage erarbeitet. Auch das Ensemble rekrutiert sich überwiegend aus Studierenden des Masterstudiengangs Musiktheater/Operngesang, die mit außerordentlich viel Verve singen und spielen. Als Gast dirigiert Oscar Jockel überzeugend das Münchner Rundfunkorchester.
Weitere Aufführungen am 12., 14. und 16.3.2024
Info unter www-theaterakademie.de/theater-erleben/stueckinfo/zanaida