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KlassikWoche 51/2019

Allerlei aus Zürich und Schwei­nerei von Mozart

von Axel Brüggemann

16. Dezember 2019

Will­kommen in der neuen Klassik-Woche, heute mit den Gehäl­tern großer Opern­di­rek­toren, Klassik-Unter­stüt­zung durch Pop-Stars und einer kleinen Schwei­nerei von Mozart.

Will­kommen in der neuen Klassik-Woche,

heute mit den Gehäl­tern großer Opern­di­rek­toren, Klassik-Unter­­stü­t­­zung durch Pop-Stars und einer kleinen Schwei­nerei von Mozart. 

WAS IST 

MOZARTS LOCKE

Mozart und kein Ende. Vor zwei Wochen die Umfrage aus Groß­bri­tan­nien: 25 Prozent der Jugend­li­chen kennen Mozart nicht. Dann der Eklat in : Santa Croce will den Frei­maurer Mozart nicht spielen – zu unchrist­lich. Doch jetzt endlich die Reha­bi­li­ta­tion durch das Mozar­teum in Salz­burg. Es hat eine Locke von Mozart gekauft, eines von 12 noch exis­tie­renden Haar­bü­scheln. Außerdem noch einen Brief. Aber wenn Mozart sich mit dem bloß nicht wieder in die „Rue de la Kack“ geritten hat. Darin beschreibt er, wie eine Schieß­scheibe ange­malt werden soll: „Ein kleiner Mensch mit lichten haaren steht gebückt da, und zeigt den blosen arsch her. aus seinen Mund gehen die wort. guten appetit zum schmaus. der andere wird gemacht, in stiefl und sporn (…) er wird in der Positur vorge­stellt wie er den andern just im arsch leckt. aus seinen Mund gehen die worte. ach, da geht man drüber N’aus.“ Mozarts Ausdrucks­form erhöht zumin­dest seine Street-Credi­­bi­­lity in Groß­bri­tan­nien! 

ÖSTER­REICH LEAKT KULTUR­GE­HÄLTER

Der Stan­dard berichtet über Gehälter der Kultur­schaf­fenden, unter anderem der Salz­burger Fest­spiele: Dort besteht der Vorstand aus Markus Hinter­häuser als Inten­dant, Helga Rabl-Stadler als Präsi­dentin und Lukas Crepaz als kauf­män­ni­schem Geschäfts­führer. Demnach erhielt Rabl-Stadler 2017 212.700 Euro und 2018 218.300 Euro, bei den Herren waren es durch­schnitt­lich 235.100 Euro (2017) bezie­hungs­weise 226.900 Euro im Jahr darauf. Bei den Bregenzer Fest­spielen legte die künst­le­ri­sche Leiterin Elisa­beth Sobotka von 2017 (194.800 Euro) auf 2018 ordent­lich zu und verdiente 211.700 Euro, während ihr kauf­män­ni­scher Leiter Michael Diem 2017 120.300 Euro und 2018 124.800 Euro verbuchte. Wie viel der schei­dende Staats­opern­di­rektor Domi­nique Meyer genau verdiente, geht aus dem anony­mi­sierten Bericht nicht hervor. Da ihm mit Thomas W. Platzer ein männ­li­cher Kollege als kauf­män­ni­scher Leiter zur Seite steht, wurde im Bericht nur ein Durch­schnitts­ge­halt der beiden bekannt gegeben. Dieses belief sich 2017 auf 244.200 Euro, 2018 waren es 248.500 Euro. 

 UND KEIN ENDE

Ein neues Opern­haus für Luzern? Wenn es nach dem Stifter und Unter­nehmer Arthur Waser geht, soll es kommen: Er hat bereits eine Million Franken zuge­si­chert, um einen inter­na­tio­nalen Archi­tek­tur­wett­be­werb auszu­schreiben. Das neue Haus soll das in die Jahre gekom­mene Stadt­theater ersetzen. Kritiker fürchten einen Flop wie einst bei Kunst­mäzen Christof Engel­horn, der mit seiner Salle Modulable nur für Zoff in der Stadt sorgte. Derweil geht der Macht­kampf beim  zwischen Michael Haef­liger und dem Stif­tungs­prä­si­denten Hubert Acher­mann in die nächste Runde. So oft, wie wir in den letzten Wochen über Haef­liger berichtet haben, scheint seine Posi­tion inzwi­schen ordent­lich zu wackeln.

POPSTARS UND KLASSIK

Elton John war zu Gast beim briti­schen Klassik-Sender fM4 und hat in einem sehr hörens­werten Gespräch über die Rolle und den Wandel an der „Royal Academy of Music“ gespro­chen. John hat hier Chopin, Mozart und Debussy studiert. Er erzählt: „Im Schul­chor zu singen war für mich ein entschei­dendes Erlebnis für mein Leben.“ Auch deshalb klagte er die briti­sche Regie­rung an und kriti­sierte, dass die Musik aus dem Schul­un­ter­richt weit­ge­hend verschwunden sei. Dazu passt die Nach­richt: Im Jubi­lä­ums­jahr zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beet­hoven singt Robbie Williams am 18. Mai 2020 auf der Bonner Hofgar­ten­wiese. Auch ein Auftritt des chine­si­schen Pianisten  am 9. September mit US-DJ Steve Aoki gehört zum Kultur­pro­gramm, mit dem sich die Telekom an den Feiern zum 250. Geburtstag des 1770 in gebo­renen Kompo­nisten betei­ligt. Nach so viel Pop noch etwas Seriöses: Diri­gent  wünscht sich für das Beet­hoven-Jahr 2020 endlich auch Beet­ho­ven­ku­geln!

WAS WAR 

TATORT GESTERN

Haben Sie gestern Tatort gesehen? Ich auch – im Theater an der . Zuge­geben, Dreh­buch (reicher Pole schwän­gert arme Polin, heiratet reiche Polin, während die arme Polin ins Wasser geht) und Sound­track (vom polni­schen Verdi-Zeit­­ge­­nossen Stanisław Moni­uszko) waren eher eindi­men­sional. Aber Mariusz Treliński insze­niert einen hand­werk­lich bril­lanten Krimi auf einer schwarz-weiß-Dreh­­bühne der andau­ernden Gegen­sätze: Hochzeitsgesellschaft/​Duett, Ballsaal/​Wald, Wodka/​Blut. Die letzten Ecken und Kanten der Partitur hätten Łukasz Boro­wicz und das ORF Radio-Sympho­­nie­or­chester Wien viel­leicht noch aus der Partitur heraus­ar­beiten können. Aber wie in jedem Tatort: alles egal, wenn der Cast stimmt. Und der stimmte! Der Genial-Bass-Bariton Tomasz Konieczny fällt von bollernder Cholerik in lyri­sches Selbst­mit­leid, Corinne Winters (die Ameri­ka­nerin ist eine der wenigen Nicht-Polen dieses Abends) leidet sich mit seelen­nackter Stimme durch die Titel­partie. Und dann kommt jemand wie Piotr Beczała und zeigt uns in nur zwei Szenen, wie Moni­uszko klingen könnte, wenn man in der Lage ist, aus einer polni­schen Epigonen-Oper ein Leiden­schafts­juwel zu formen. Prädikat: Unbe­dingt hingehen und kennen­lernen. 

AN UNSEREN BÜHNEN

Für den letzten News­letter zu spät, aber weit­ge­hend gefeiert: die Urauf­füh­rung von Olga Neuwirths „Orlando“ an der Wiener Staats­oper. Fälsch­li­cher­weise wird sie immer wieder als erste Oper aus der Feder einer Frau an der Staats­oper titu­liert – das stimmt nicht: Bereits 2014 hat etwa Johanna Doderer die Oper Fatima im Auftrag der Staats­oper kompo­niert. Erstaun­lich, wie diese Falsch­mel­dung des Guar­dian auch von großen deut­schen Zeitungen unkon­trol­liert weiter­ver­breitet wurde. +++ Wir haben immer wieder von der poli­ti­schen Kontrolle über die Kultur in berichtet – nun hat das Parla­ment das umstrit­tene Kultur­ge­setz gebil­ligt, mit dem Viktor Orbán und seine Freunde noch mehr Macht über die Führung an Opern­häu­sern und Thea­tern bekommen. +++

ZUM TODE VON PETER EMME­RICH

Über­ra­schend für jeden, der ihn kannte: Bayreuths Pres­se­spre­cher Peter Emme­rich wurde vergan­gene Woche tot in seiner Wohnung aufge­funden. Katha­rina Wagner kommen­tierte scho­ckiert, ebenso wie zahl­reiche Kritiker-Kollegen, die wussten, dass Peter Emme­rich mehr war als ein Pres­se­spre­cher: Er war das verkör­perte Wissen um die Bayreu­ther Fest­spiele. Hier meine Gedanken, nachdem ich von seinem Tod erfahren habe – wie gern hätte ich noch eine Ziga­rette mit ihm geraucht. 

DE LA PARRAS PRESSE-PROPA­­GANDA

Es ist kein Geheimnis, dass zahl­reiche Orchester nur noch genervt von  sind – weil sie das Insta-Foto-Schießen wich­tiger findet als die Arbeit am Pult. Stört die deut­sche Medien-Land­­schaft nicht: De la Parra hat diese Woche eine Absurd-Pres­­se­er­klä­rung verschickt, in der die medialen Super­la­tive der Diri­gentin in Deutsch­land aufge­zählt wurden. Eine Erklä­rung, die sogar bei Norman Lebrecht für Über­ra­schung sorgte. Merk­würdig, wie man zum Fernseh-Star wird, aber Thomas Gott­schalk hat die Antwort für dieses Phänomen ja bereits gegeben und über de la Parra gesagt: Mit ihr müsse man Klassik nicht mehr hören, sondern könne sie endlich auch ansehen. 

PERSO­NA­LIEN DER WOCHE

Simone Young wird 2022 neue Chef­di­ri­gentin des Sydney Symphony Orchestra. Im Jahr davor wird sie bereits mehrere Konzerte in Sydney leiten. +++ Der Beef zwischen dem Kompo­nisten Moritz Eggert und dem Kompo­­nis­­tinnen-Vater Guy Deut­scher geht in die nächste Runde. Die Münchner Musik­hoch­schule hat sich – voll­kommen ohne Grund – für Eggert entschul­digt (obwohl Deut­scher dem Kompo­nisten Nazi-Methoden vorge­worfen hat!). Nachdem Freunde Deut­schers nun auch Eggerts Youtube-Beiträge mit Kritik fluteten, gibt es einen Back­clash, und offen­sicht­liche Eggert-Fans haben ein amüsant-neutö­­nendes Horror-Video gebas­telt. +++ Gerade gab es eine Gehalts­er­hö­hung, nun die Vertrags­ver­län­ge­rung: Elisa­beth Sobotka wird die Bregenzer Fest­spiele bis 2024 leiten. +++ Alain Alti­noglu wird zur Saison 2021/2022 neuer Chef­di­ri­gent des -Sinfo­nie­or­ches­ters. +++ Tja – damals hatten wir einen lustigen Streit: Regis­seur Kay Voges hatte ein Youtube-Video von mir und Chris­tian Thie­le­mann für seine Frei­schütz-Insze­nie­rung in geklaut. Nun provo­ziert er mit dem ältesten Mittel über­haupt: und Wien ist erregt. Voges bringt – Achtung! – Sex auf die Bühne. Na denn… 

WAS LOHNT

Zwei span­nende Inter­views möchte ich Ihnen noch ans Herz legen. Für CRESCENDO hat mein Kollege Rüdiger Sturm sich mit Regis­seur Ron Howard unter­halten, dessen Pava­rotti-Film am 26. Dezember in die deut­schen Kinos kommt. Howard erzählt seinen Zugang zum legen­dären Tenor: „Dann entdeckte ich, dass Pava­rottis Leben etwas Opern­haftes an sich hatte. Die ganzen Wendungen seiner persön­li­chen Reise fanden sich in den Themen seiner Arien reflek­tiert.

Voll­kommen aus unserer Welt dagegen das Gespräch, das ich mit dem globe­trot­tenden Diri­genten und Bremer GMD  für die Serie „Brüg­ge­manns Begeg­nungen“ bei mir zu Hause geführt habe. Yoel hatte einen Whiskey mitge­bracht – und unsere Zungen waren locker. Eine herr­lich „besoffne G’schicht“, wie die Öster­rei­cher sagen, unter anderem über den Eros des Rosen­ka­va­liers, das Vege­ta­riertum, über Israel, und – über Idole wie Carlo Maria Giulini, über Chris­tian Thie­le­mann und Teodor Curr­entzis – und natür­lich (ist ja Internet!) über Katzen. 

Wenn Sie rein­hören, würde ich mich freuen, aber, bitte: halten Sie die Ohren steif! 

Ihr

Axel Brüg­ge­mann

brueggemann@​crescendo.​de