Alma Mahler

In den Abgründen der Lust

von Ruth Renée Reif

23. April 2023

Paulus Manker zeigt in dem biografischen Band »Das große Alma Mahler Album« Fotos aus seiner Privatsammlung, die vom Lieben, Leben und den Leidenschaften der legendären Muse erzählen.

Bereits die Innen­seiten des Bandes mit einem Ausschnitt aus Alfred Kubins Todes­sprung zeigen, worum es geht: das Faszi­nosum als Muse und Männer vernich­tende Sphinx, der die großen Künstler des 20. Jahr­hun­derts wie Gustav Klimt, Gustav Mahler, Oskar Kokoschka, Walter Gropius und Franz Werfel verfielen. Paulus Manker, der mit seinem Statio­nen­drama Alma – a Show Biz ans Ende jahre­lang durch die Welt tourte, versam­melt Bilder aus Alma Mahlers Leben, darunter unbe­kannte Aufnahmen wie Alma im Negligé am Bett, aufge­nommen von Helene Berg, sowie viele aus den USA. Der Band glie­dert sich nach den Stationen im Leben Alma Mahlers, und Paulus Manker geizt nicht mit scho­ckie­renden Zitaten.

Alma Mahler im Negligé
Alma Mahler im Negligé am Bett, foto­gra­fiert von Helene Berg bei einem Besuch am 2. November 1915, zu dem Alma Mahler im Bett empfing

Er zitiert aus Alma Mahlers Tage­bü­chern, aus den Liebes­briefen ihrer Ehemänner und Geliebten und offen­bart eine Welt des Verlan­gens, des sexu­ellen Exzesses, aber auch des Über­drusses. „Je bedeu­tender ein Mann, desto kränker seine Sexua­lität“, zitiert er einen Tage­buch­ein­trag Alma Mahlers vom 4. Juni 1920. Und bedeu­tend sind die Männer alle, die Alma Mahler verfallen. Von Alex­ander Zemlinsky über Gustav Mahler, den sie trotz vieler Ressen­ti­ments heiratet, bis zu Walter Gropius, dessen Geliebte sie „nach acht Ehejahren voll Enttäu­schungen, Entbeh­rung und Askese“ wird: „Sein Geist, mein Körper! Unser beider Voll­endetes muss einen Halb­gott erstehen lassen!“ Als „Wiens begehr­teste Witwe“ bezeichnet Paulus Manker sie nach Gustav Mahlers Tod am 18. Mai 1911.

Da lernt sie im Hause ihres Stief­va­ters Carl Moll den jungen Oskar Kokoschka kennen. Er ist „verzau­bert von ihr“. Aber sie erträgt „seine para­noide Eifer­sucht“ nicht, und er kann es nicht verwinden, dass sie das gemein­same Kind abtreiben lässt. Am Ende ist ihr die exzen­tri­sche Liebes­ra­serei zu viel. Und sie entschließt sich zur Tren­nung. Die Leiden­schaft zu Gropius erwacht wieder. Da lernt sie 1917 Franz Werfel kennen, und aber­mals verliert sie ein Kind, das Werfel ihr „in einer eksta­ti­schen Liebes­nacht in Brei­ten­stein buch­stäb­lich aus dem Leib gevö­gelt hat“. Er wird ihr dritter Ehemann.

Leonard Bernstein und Alma Mahler in der Carnegie Hall
Mit Leonard Bern­stein im Februar 1960 in der Carnegie Hall bei der Probe zu Gustav Mahlers Zweiter Sinfonie

„Sie war eine Ikone“, betont Paulus Manker in einem Inter­view. „Aber man hat sie zur Kult­nutte nieder stili­siert.“ Die Ursache sieht Manker vor allem in ihrer Auto­bio­grafie, in der sie versucht habe, „im Alter ihr Leben zu schminken“. Paulus Mankers Bestreben ist es, Alma Mahler unge­schminkt zu zeigen. Dazu gehört auch, dass er sie am Ende als „alternde Matrone mit starker Affi­nität zum Faschismus, hyste­risch, herrsch­süchtig und anti­se­mi­tisch“ beschreibt und in einer „Galerie der Feinde“ auch all jene zu Wort kommen lässt, die Alma Mahler nicht mochten wie etwa Ernst Krenek, dessen Schwie­ger­mutter sie war: „Sie wollte nur beherr­schen. Eine schreck­liche Person.“

Fotos: Helene Berg / Alban Berg Stiftung Wien