Luca Salsi

Liebe, Intrige und Macht

von Ruth Renée Reif

2. Juni 2020

Weltklasse-Ensemble! Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Verdis „Simon Boccanegra“ bei den Salzburger Festspielen 2019 mit Luca Salsi, Rene Pape, Marina Rebeka, Charles Castronovo.

Andreas Krie­gen­burg sieht Verdi als poli­tisch denkenden Künstler. Scharf, genau und bitter würde er beob­achten und das Böse und Grau­same wahr­nehmen. Mit gnaden­losem Blick beschreibe er die Gesell­schaft und die Verzer­rungen der Charak­tere. Mit Simon Bocca­negra insze­nierte Krie­gen­burg zu den Salz­burger Fest­spielen 2019 eine Oper, die nicht zu Verdis popu­lären Werken zählt und von Verdi selbst als „Schmer­zens­kind“ gesehen wurde.


und als Liebes­paar Amelia Grimaldi und Gabriele Adorno im Trailer zur DVD und Blue-ray Disc von Andreas Krie­gen­burgs Simon Bocca­negra-Insze­nie­rung bei den Salz­burger Fest­spielen 2019 

Verdi stützte sich auf ein Drama von Antonio Garcia Gutierrez, bei dem er schon den Stoff zur Oper Il Trova­tore gefunden hatte und das ein ähnlich düsteres Geschehen zum Thema hat. Die Hand­lung spielt um 1350 in Genua vor dem Hinter­grund eines Klas­sen­kampfes zwischen Patri­ziern und dem Plebejer Simon Bocca­negra. Dieser soll neuer Doge von Genua werden und hofft damit, Maria, die Tochter des Patri­ziers Jacopo Fiesco, heiraten zu können, die dieser ihm aus Stan­des­stolz nicht zur Frau geben will. Maria ist aus Kummer darüber verstorben, und das Kind aus ihrer Bezie­hung ist verschwunden.

Harald B. Thor entwarf für Kriegenburgs Inszenierung ein unterkühltes, klar strukturiertes Bühnenbild.
Harald B. Thor entwarf für Krie­gen­burgs Insze­nie­rung ein unter­kühltes, klar struk­tu­riertes Bühnen­bild.

In der Verschrän­kung sozialer und privater Konflikte ist die Oper sowohl eine poli­ti­sche Tragödie um Macht, Intrige und Mord, als auch eine Fami­li­en­tra­gödie um Liebe, Eifer­sucht und später Versöh­nung im Ange­sicht des Todes. Was sie auszeichnet, ist die musi­ka­li­sche Gestal­tung. Verdi verlässt mit ihr das Schema der Arien­oper. Statt eine Reihe heraus­ra­gender Arien zu gestalten, lässt er die Musik von der ersten bis zur letzten Szene dahin­strömen und mit unglaub­li­chem psycho­lo­gi­schen Verständnis und eindring­li­cher Aussa­ge­kraft die Geschichte erzählen. Diese Dramatik, die aus dem Inneren der Musik erwächst, sucht Krie­gen­burg in seiner Insze­nie­rung umzu­setzen. Ihm ist es darum zu tun, Verdis bittere Analyse der Gesell­schaft genauso bitter­böse und schmerz­haft auf die Bühne zu bringen, wie dieser sie kompo­nierte. So zeigt er eine Gesell­schaft, in der Miss­gunst und Neid herr­schen und die von Zerris­sen­heit geprägt ist.

René Pape als Jacopo Fiesco inmitten der beiden Nebenbuhler Gabriele Adorno und Paolo Albiani, verkörpert von Charles Castronovo und André Heyboer, in Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Verdis "Simon Boccanegra"
als Jacopo Fiesco inmitten der beiden Neben­buhler Gabriele Adorno und Paolo Albiani, verkör­pert von Charles Castro­novo und André Heyboer

Getragen von dunklen Männer­stimmen, liegt eine düstere Schwere auf dem Werk. Die Titel­figur Simon Bocca­negra verkör­pert der Bariton , der die Zerris­sen­heit zwischen privaten Wünschen und poli­ti­schem Auftrag stimm­lich in warmen Farben und berüh­renden Piani zum Ausdruck bringt. Als sein Gegen­spieler Jacopo Fiesco steht der Bass René Pape auf der Bühne. Er gab in der Rolle sein Debüt und lotet mit seiner Stimme die volle Tiefe des Charak­ters aus. Amelia Grimaldi, Bocca­ne­gras Tochter und Fiescos Enkelin, gestaltet Marina Rebeka mit ihrem strah­lenden Sopran. Als Neben­buhler Gabriele Adorno und Paolo Albiani stehen einander der Tenor Charles Castro­novo und der Bariton André Heyboer gegen­über. Der Plebejer Pietro ist der Bass Antonio Di Matteo. Eine tragende Rolle kommt dem Wiener Staats­opern­chor zu. Am Pult der steht .

Was Krie­gen­burg auf die Bühne bringt, ist nicht bloß eine poli­ti­sche Parabel, sondern ein tiefer Blick in die Abgründe des Menschen. Er hebt die Oper aus ihrem histo­ri­schen Rahmen heraus, betont ihre Allge­mein­gül­tig­keit und stellt durch Attri­bute wie Smart­phones und Laptops den Bezug zur Gegen­wart her. Von Harald B. Thor hat er sich ein unter­kühltes, klar struk­tu­riertes Bühnen­bild entwerfen lassen, das der Vorstel­lungs­kraft der Zuschauer Raum lässt. In unter­schied­li­ches Licht getaucht, schim­mert es golden oder silbern und dient als Symbol wirt­schaft­li­cher Macht ebenso wie als poli­ti­sche Bühne und privater Raum.

Sicher nicht leicht zu filmen bei weit­ge­hender Dunkel­heit auf der Bühne des Salz­burger Fest­spiel­hauses, ist es Tiziano Mancini gelungen, die Darsteller in ihrem Ausdruck einzu­fangen und den Blick des Betrach­ters, sei es in der Totale oder in den jewei­ligen Nahauf­nahmen, auf die Dramatik des düsteren Gesche­hens zu lenken.

Beigefügt ist ein ausführ­li­ches Booklet mit Beset­zungs­liste, Inhalts­zu­sam­men­fas­sung sowie einem Bericht über die Oper und Pres­se­stimmen zu Krie­gen­burgs Insze­nie­rung.

Fotos: Ruth Walz / Salzburger Festspiele