Andreas Ziegler

Außer­ge­wöhn­liche Hörerleb­nisse

von Gabrielle Pinkert

3. November 2020

Der Musikproduzent Andreas Ziegler setzt sich mit seinem Label TYXart für die Vorstellungen seiner Künstler ein. 2019 brachte er die Sinfonien des verstorbenen Komponisten Heinz Winbeck heraus.

Andreas Ziegler ist Musik­pro­du­zent und Verleger. Unter seinem Label TYXart mit Sitz in erschienen im Früh­jahr dieses Jahres erst­mals die gesamten Sinfo­nien des aus stam­menden Kompo­nisten Heinz Winbeck. Winbeck, der 1946 in Piflas zur Welt kam, war Zeit seines Lebens sehr bescheiden und hatte kein großes Inter­esse an den Veröf­fent­li­chungen seiner Werke, weshalb er auch kein Aufhe­bens um seine Person betrieb. Doch Freunde und ehema­lige Schüler wie Franz Hummel oder Tobias Schneid drängten den Kompo­nisten.

Der Komponist Heinz Winbeck
2019 verstorben: der Kompo­nist Heinz Winbeck

„Welch ein Glück, dass er sich doch noch am Ende entschieden hat, seine Werke zu veröf­fent­li­chen“, sagt Christel Borchers, die selbst auf einer Einspie­lung zu hören ist und Winbeck als musi­ka­li­schen Förderer erlebt hat. „Seine Werke sind so wunderbar und wichtig, dass sie unbe­dingt in die Welt getragen werden müssen.“ Auch für Ziegler war es eine Notwen­dig­keit, diese zur Neuen Musik gehö­renden Werke zu veröf­fent­li­chen: „Er ist ein Meister seiner Zeit und steht in der Folge von Bruckner und Mahler. Sicher handelt es sich hier nicht um Unter­hal­tungs­musik, im Gegen­teil: Man muss hinhören und sich konzen­trieren. Aber wenn man einmal ange­fangen hat, kann man nicht aufhören. Sogartig wird man weiter und weiter getrieben“.

Innere Zerris­sen­heit und ein Hadern mit dem Sein

Es sind monu­men­tale, gar essen­zi­elle Werke, die die großen Themen des Lebens behan­deln. Obwohl der Hörer Zeuge wuch­tiger Kämpfe wird und von einer inneren Zerris­sen­heit, vom Hadern mit dem Sein, vom Hinter­fragen von Glaube und Gesell­schaft erfährt, ist die Melo­die­füh­rung inhalt­lich wie kompo­si­to­risch fein aufein­ander abge­stimmt und wirkt nie dishar­mo­nisch. Viel­schichtig und in einem weit­ge­fä­cherten Bogen an Klang­farben sind die Werke ange­legt, die neben gesang­li­chen Soli auch anspruchs­volle Texte vom expres­sio­nis­ti­schen Dichter Georg Trakl verar­beiten. Einer der Spre­cher ist Udo Samel.

Heinz Winbeck bei der Uraufführung seiner Dritten Sinfonie
Der Rezi­tator Wolf Euba, und Heinz Winbeck bei der Urauf­füh­rung seiner Dritten Sinfonie Grodek 1088
(Foto: © Gerhilde Winbeck)

Zwei Jahre hat es bis zum Erscheinen gedauert. In diesen zwei Jahren mussten sämt­liche Einspie­lungen bei den entspre­chenden Verlagen ange­fragt, gehört und bewertet werden; um die Fragen der Rechte, Lizenzen und Einho­lung nach­träg­li­cher Zustim­mung zu Veröf­fent­li­chungs­zwe­cken kümmerte sich Ziegler. Er lacht, wenn er an den Beginn seiner Zusam­men­ar­beit mit Winbeck denkt: „Seine musi­ka­li­schen Freunde kannten auch mich und brachten uns mit der Annahme zusammen, dass sich diese beiden eigen­sin­nigen Charak­tere gut verstehen würden“. Winbeck selbst war jedoch zöger­lich zu Beginn und ließ sich erst dann über­zeugen, als er sah, dass der junge Produ­zent Parti­turen lesen konnte und darüber hinaus viel von Musik zu verstehen schien, erin­nert sich Ziegler.

Produk­tionen eine Chance geben

Der inzwi­schen 46-Jährige hat viel für seinen Wissens­stand getan: Trotz seiner umfang­rei­chen Ausbil­dung, die ihn, von klein auf muszie­rend, von der Ausbil­dung zum Tontech­niker über das Studium der Elek­tro­technik zum Tonmeis­ter­stu­dium brachte, hatte er noch lange das Gefühl, immer noch nicht genug zu wissen, so dass er nicht nur dankbar mento­ri­sche Unter­stüt­zung älterer Kollegen annahm, sondern weiterhin Meis­ter­klassen, wie die bei Quincy-Jones-Tonin­ge­nieur Bruce Swedien, besuchte. Mit dem Label TYXart will Ziegler sich vom Main­stream abheben und Produk­tionen eine Chance geben, die nicht der musi­ka­li­schen Massen­ware zuzu­ordnen sind, aber genau hiervon geschluckt werden.

Drang nach höchster Qualität

Das Unter­fangen, außer­ge­wöhn­liche Hörerleb­nisse zu produ­zieren und zu verlegen, mag frag­würdig anmuten – in einer Zeit des zuneh­menden Wandels und wach­sender Strea­ming-Ange­bote. Ziegler lässt sich davon nicht beein­dru­cken, er hält an seinem Vorhaben fest. Man spürt, dass er für die Musik und außer­ge­wöhn­liche Klang­er­leb­nisse lebt. Sein Drang, in höchster Qualität zu produ­zieren, wird auch von Künst­lern geschätzt. Einer von ihnen Udo Samel, der kürz­lich im Studio für TYXart einsprach: „Es ist groß­artig, dass man hier noch findet, was größ­ten­teils im Unter­gang befind­lich ist. Das, was hier geschaffen, mit welchem Anspruch gear­beitet wird, das war früher die Aufgabe von den großen öffent­lich-recht­li­chen Sende­an­stalten“, so der Schau­spieler.

Andreas Ziegler: »Sicher sind so manche Produk­tionen in ihrer Außer­ge­wöhn­lich­keit nur für einen kleinen Hörer­kreis bestimmt. Aber für diesen schaffen wir wahr­lich Hörge­nuss.«

Es scheint ein gewisser Wahn­sinn von Nöten zu sein, um in Down­load­zeiten an die Haptik zu glauben und Platten und CDs zu produ­zieren, die auf den ersten Blick mehr Arbeit als Gewinn verspre­chen. „Sicher sind so manche Produk­tionen in ihrer Außer­ge­wöhn­lich­keit nur für einen kleinen Hörer­kreis bestimmt“, sagt Ziegler. „Aber für diesen schaffen wir wahr­lich Hörge­nuss. Und natür­lich gehört ein biss­chen Verrückt­heit dazu. Das kann aber auch unter Leiden­schaft zu verbu­chen sein, die notwendig ist, Dinge umzu­setzen, an die man glaubt.“

Andreas Ziegler bei der Entgegennahme des Opus Klassik 2020
Bei der Entge­gen­nahme des 2020: der Schau­spieler und Spre­cher Udo Samel, die Sängerin Christel Borchers, die Witwe des Kompo­nisten Gerhilde Winbeck, der Verleger und Produ­zent Andreas Ziegler sowie Clara Criado, die Künst­ler­be­treuerin bei TYXart
(Foto: © Gabri­elle Pinkert)

Für seinen Mut wurde Diplom-Tonmeister Ziegler jedoch belohnt: Die von ihm produ­zierte und unter seinem Label veröf­fent­lichte CD-Box, die die kompletten Sinfo­nien von Heinz Winbeck in Einspie­lungen vom ORF Radio-Sympho­nie­or­chester unter Dennis Russell Davies und anderen Klang­kör­pern enthält, wurde als „Welt­er­stein­spie­lung des Jahres 2020“ mit einem Opus Klassik gewür­digt. Winbeck konnte diese Würdi­gung nicht mehr miter­leben, denn er starb am 26. März 2019 im Alter von 73 Jahren in Regens­burg. „Nicht in unserem Leben“, sagt Gerhilde Winbeck schmun­zelnd und fährt fast schon wissend fort: „Ich bin mir sicher, er ist da draußen irgendwo und schaut uns zu; er weiß es. Er hatte schon immer beson­dere Gaben und Verbin­dungen in dieser Welt, in diesem Kosmos; er war in einer Art mit beson­derer Weis­heit über­legen“.

Mehr Mut für Neuar­tiges und Unbe­kanntes

Andreas Ziegler fühlt sich durch die Auszeich­nung in seiner Arbeit und seiner Idee, sich für außer­ge­wöhn­liche Hörerleb­nisse unter seinem Label einzu­setzen, bestä­tigt. Was für ihn ein hoch­wer­tiges Hörerlebnis auszeichnet, ist der Klang. „Für quali­täts­volle Aufnahmen ist es wichtig, die Instru­men­ten­ei­gen­schaften, die Eigen­heiten beim Spielen, die mensch­liche Stimme, wenn sie einge­baut wird, genauso wie die gesamte Raum­akustik zu erfassen. Und man sollte sich auskennen, um eine gewisse Klang­äs­thetik entwi­ckeln, um die Vorstel­lungen von Künst­lern und eigene Ideen gut umsetzen zu können.“ Für die Zukunft wünscht er sich, dass den unab­hän­gigen Labels, die groß­ar­tige Arbeit leisten, mehr Beach­tung geschenkt wird und dass Diri­genten und Konzert­häuser den Mut an den Tag legen Neuar­tiges und Unbe­kanntes aufzu­führen.

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Weitere Informationen zum Label TYXart unter: www.tyxart.de

Fotos: Gabrielle Pinkert