Anne de Courcy
Beeindruckend recherchiert
von Ruth Renée Reif
12. Februar 2023
Anne de Corcy entwirft in ihrem Buch »Coco Chanels Riviera. Vom Lieben, Leben und Überleben an der Côte d’Azur« ein raffiniertes Geflecht zahlloser biografischer Erzählungen.
1930 erwirbt die Modeschöpferin Gabrielle „Coco“ Chanel das fünf Hektar große Anwesen La Pausa über dem südfranzösischen Dorf Roquebrune. Sie lässt die vorhandenen Gebäude umbauen und verbringt fortan die Sommer an dem in Mode gekommenen „Spielplatz der Reichen“, ehe sie 1953 La Pause verkauft. Jene 23 Jahre von Chanels Aufenthalten an der Côte d’Azur ist Thema des Buches der Biografin Anne de Courcy. Es sei keine Chanel-Biografie, betont de Courcy in der Einleitung. Ist es auch nicht. Es ist viel mehr. De Courcy breitet ein raffiniertes Geflecht zahlloser biografischer Erzählungen aus. Sie beschreibt Episoden aus dem mondänen und nicht selten tragischen Leben von Filmstars, Aristokraten, Playboys, Exzentrikern und Künstlern, die es in den 1930er-Jahren an die Côte d’Azur zieht. Sie berichtet von unermesslichem Reichtum, dessen Verlust, von Liebesaffären, zerrütteten Ehen, Enttäuschungen und Eifersucht.
An Dramatik gewinnt ihre beeindruckend recherchierte Darstellung, als sich das mondäne Leben in einen Kampf ums Überleben verwandelt, in Deutschland die Reichskristallnacht stattfindet und der Krieg seine Schatten über das Leben an der Côte d’Azur wirft. Ausführlich schildert de Courcy die Jahre des Krieges, der Kapitulation und der Judenverfolgung, die für viele zu Jahren der Angst und Verzweiflung werden wie etwa den Dichter Walter Hasenclever, der Selbstmord begeht. Lion Feuchtwanger und seiner Frau Marta gelingt die Flucht über Lissabon in die USA, und Künstler wie Henri Matisse, Pablo Picasso versuchen, ihr gewohntes Leben weiterzuführen. Zu ihnen gehört auch Chanel, für die der Krieg eher „eine Unterbrechung“ als einen Konflikt darstellt. De Courcy setzt sich mit Chanels Antisemitismus, der so genannten „épuration sauvage“ und der Frage auseinander, inwieweit Chanel mit den deutschen Besatzern kollaboriert hat. Und in einem Epilog schildert sie auch die letzten erneut von Arbeit geprägten Jahre Chanels bis zu deren Tod 1971.