Tõnu Kaljuste

Ästhe­ti­sche Zeit­reise

von Jens Laurson

30. Mai 2018

Das NFM Wroclaw Philharmonic Orchestra unter Tõnu Kaljuste hat eine Gesamteinspielung von Arvo Pärts vier Sinfonien herausgebracht.

Diese erste Gesamt­ein­spie­lung der vier Sinfo­nien von gleicht einer ästhe­ti­schen Zeit­reise. Die ersten beiden (1963, 1966) schrieb Pärt noch von Zwölf­ton­musik beein­flusst, doch findet sich inmitten kunst­voller Kontra­punktik (Nummer eins) schon ein lang­samer Spanungs­aufbau der Schost­a­ko­witsch wie späteren Pärt erahnen lässt. Der Mittel­satz der Zweiten Sinfonie – Quietsch-Pfeiff-Krawumms – klingt wie die Kari­katur einer „modernen“ Kompo­si­tion. Doch endet die Sinfonie nach krab­belnder, wuselnder Musik mit einem uniro­ni­schen Tschai­kowski-Zitat gera­dezu harmo­ni­e­süchtig.

Eine Hörprobe zum Album der NFM Wrocław Phil­har­monic mit Arvo Pärts vier Sinfo­nien

Die Sinfo­nien drei und vier entstanden nach Pärts reli­giöser wie ästhe­ti­scher Konver­sion. Auf „Sozia­lis­ti­schen Realismus“ pfiff Pärt schon immer, nun auch auf die Avant­garde. Die popu­läre, schlichte Dritte (1971) bedient sich grego­ria­ni­scher Stil­mittel. In der Vierten (2008) heben und senken sich große Klang­platten langsam, wie ein großes aber ruhiges Schiff auf hoher See, allen Stürmen trot­zend. Der mit diesen Aufnahmen betraute Freund Pärts, , nimmt die vier Werke „wie eine einzige, große Sinfonie”: deswegen die flie­ßenden Über­gänge zwischen den Tracks. Das Bres­lauer Orchester ist jeder Konkur­renz eben­bürtig.