Ludwig van Beethoven
»Unser einer bedarf immer Geld«
von Stefan Sell
20. Oktober 2021
Beethoven klagte ständig über seine Finanzen. Dennoch wollte er sich nicht verkaufen. Selbstbewusst forderte er seine Honorare.
„Ich schreibe nur das nicht, was ich am liebsten möchte, sondern des Geldes wegen, was ich brauche. Es ist deswegen nicht gesagt, dass ich doch bloss ums Geld schreibe – ist diese Periode vorbej, so hoffe ich endlich zu schreiben, was mir und der Kunst das Höchste ist –”, notierte Beethoven im April 1823 in eines seiner vielen Konversationshefte, auf die Nachfrage, was denn der Kompositionsauftrag aus Boston mache.
Oft und zu recht hat er sich über fehlende Gelder beklagt. Wenn man bedenkt, dass seine Melodien von Roll over Beethoven bis Song of Joy die Popcharts erobert haben, Klingeltöne, Warteschleifen und Film zieren, ihm müssten heute noch die Tantiemen nur so zuströmen. Dabei hätte Beethoven nicht mal mit Noten aus seinen „Nöthen“ kommen müssen. Hätte er gewusst, dass allein ein Einkaufszettel von ihm Geld bringen kann, hätte er täglich zehn davon geschrieben.
„ + Bejm Met Uhrmacher ihr Metronom[m].
+ MäuseFall
+ ZündMaschine.
+ BalbierMeßer 3
+ WaschSeife an der Bognergaße –
+ Bücher Maschin in der Wohng. des Hr. Bruders“
Im März 2011 erzielte das handschriftliches Original dieser Notiz auf einer Auktion in Köln 74000 Euro. Beethoven hatte nichts davon. Urheberrechte gab es zu seiner Zeit noch nicht.
Sein erstes Gehalt bekam er mit 14 als zweiter Hoforganist. Für sein Studium in Wien erhielt er ein Stipendium. Gleich drei Adelige, Fürst Kinsky, Fürst Lobkowitz und Erzherzog Rudolph gaben ihm 1809 einen „Rentenvertrag“ über jährlich 4000 Gulden. Als Gegenleistung verzichtete Beethoven darauf, in Kassel als Erster Kapellmeister zu agieren und blieb in Wien. Natürlich widmete er ihnen fleißig Kompositionen. Aber verkaufen wollte er sich nicht. Bettina Brentano erinnert sich 1810 in einem Brief: „Dieser Mensch hat einen sogenannten Stolz, daß er weder dem Kaiser noch den Herzögen, die ihm eine Pension umsonst geben, zu Gefallen spielt, und in ganz Wien ist es das Seltenste, ihn zu hören.“ Er spielte eben nicht, wenn er sollte, aber nicht wollte. Seinem Gönner Fürst von Lichnowsky, dem er auch eine jährlich Zahlung verdankte, beschied er: „Fürst! was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt. Was ich bin, bin ich durch mich. Fürsten gibt es Tausende. Beethoven nur einen.“
Die Inflation ließ das Geld bald auf weniger als die Hälfte schrumpfen, es war die Zeit der Napoleonischen Kriege. Das war bitter und es blieb nicht bei einem Mal. 1815 sorgte Beethoven sich: „daß mein Gehalt zum 2tenmal zu Nichts werde“. Um Gewinn zu erzielen, investierte er gar in Aktien und schrieb im Februar 1823 verzweifelt an den Oberbuchhalter Salzmann der „Privilegierten Oesterreichischen Nationalbank“: „ich bedarf aber wieder ihrer Hülfe, denn ich kann eben nicht mehr in der Welt als einige Noten so ziemlich niederschreiben, in allen Geschäftssachen ein schwerer Kopf, verzeihen Sie, wenn ich ihnen wieder beschwerlich fallen muß, … ich bitte sie, was die allerliebste dividende anbelangt, (mir) doch zu sorgen, daß ich es heute oder Morgen erhalten kann, denn unser einer bedarf immer Geld, u. alle Noten, die ich mache, bringen micht (sic) nicht aus den Nöthen!!“
Verkauf der Musik auf Zeit
Nichts ließ er unversucht, betätigte sich als Konzertveranstalter und wusste ganz besonders mit Verlegern zu dealen. Auch hier ein Visionär, verkaufte er Musik auf Zeit, wie das zum Beispiel heute Streamingdienste mit Abonnements tun. So konnten Adelige seine Werke für ein halbes oder gar ein ganzes Jahr nutzen, bevor er sie an Verleger verkaufte, die sie veröffentlichten. Die Nutzer hatten dafür so etwas wie eine exklusive Nutzungsgebühr zu zahlen. Und bei den Verlegern pokerte er – wer das meiste bot, bekam den Deal. Man könnte denken, dass Beethoven, „in allen Geschäftssachen ein schwerer Kopf“, letztendlich vielleicht doch ein cleverer Geschäftsmann war, denn immerhin hinterließ er eine Summe von umgerechnet etwa 150.000 Euro. Bekäme Beethoven all das Geld, das ihm nach heutigen Maßstäben zustünde, seine Neunte gliche in neuer Deutung einem Ausruf Dagobert Duck’s: „Seid umschlungen Millionen!“