Ludwig van Beethoven

Musi­ka­li­sche Liebes­er­klä­rungen

von Ruth Renée Reif

9. November 2020

In der Neuen Musik genießt Beethoven uneingeschränkte Bewunderung. Zeitgenössische Komponisten lieben und verehren ihn und bringen ihm mit ihren Werken eine Hommage dar.

Der größte musi­ka­li­sche Revo­lu­tionär

Beet­hoven war der viel­leicht größte musi­ka­li­sche Revo­lu­tionär, dem wir nicht nur groß­ar­tige Musik verdanken, sondern sogar den Beginn einer Moder­nität, die wir heute noch spüren, und zugleich ein Inno­vator, an dem wir alle teil­haben“, ist Claus-Steffen Mahn­kopf über­zeugt. „Ich liebe und bewun­dere ihn gren­zenlos.“

Claus-Steffen Mahnkopf liebt und bewundert Beethoven grenzenlos.
Liebt und bewun­dert Beet­hoven gren­zenlos: Claus-Steffen Mahn­kopf
(Foto: © Gabriel Brand)

Unter dem Titel Beet­hoven-Kommentar nahm er 2004 eine „Rekom­po­si­tion“ des Menu­etts von Beet­ho­vens letzter Diabelli-Varia­tion vor, um sie als eines der Neben­stücke in seinen Prospero-Zyklus einzu­fügen. Laby­rin­thisch verzweigte Zyklen, die ein Hören aus mehreren Perspek­tiven beab­sich­tigen, sind charak­te­ris­tisch für Mahn­kopfs Œuvre.

Zeichen der Liebe zu Beet­hoven

Doch unab­hängig davon, welcher Rich­tung das eigene Schaffen folgt – zeit­ge­nös­si­sche Kompo­nisten lieben und verehren Beet­hoven. Peter Michael Hamel etwa sieht die Schaf­fung einer viel­ge­stal­tigen, Gegen­sätze einglie­dernden Musik als seine Lebens­auf­gabe an.

Peter Michael Hamel setzt Zeichen seiner Liebe zu Beethoven.
Lässt Beet­ho­vens indi­schen Zeit­ge­nossen anklingen: Peter Michael Hamel
(Foto: © Klaus Hinrich Stahmer)

In seinem im Juni 2019 urauf­ge­führten Klavier­stück Freude für Beet­hoven, das er mit klas­si­schen indi­schen Rhyth­mus­struk­turen umrahmt und in dem er Zitate aus der karna­ti­schen Musik von Beet­ho­vens indi­schem Zeit­ge­nossen Tyaga­raja sowie Erin­ne­rungen an Melo­dien seiner eigenen Kind­heit anklingen lässt, setzt er mit den versteckten Zitaten „Seid umschlungen Ich liebe dich so wie du mich Freude schöner“ Zeichen seiner Liebe zu Beet­hoven.

Lebens­lange Ausein­an­der­set­zung

Enno Poppe begreift sein ganzes Leben als kompositorische Auseinandersetzung mit Beethoven.
Beet­hoven schaut ihm immer über die Schulter:
(Foto: © Harald Hoff­mann)

Enno Poppe, der 2019 mit Schnur in Anleh­nung an Beet­ho­vens Violin­kon­zert D‑Dur op. 61 eine Kompo­si­tion zum Thema „Strei­cher­Vi­brato“ schrieb, begreift sein ganzes Leben als „eine tiefere kompo­si­to­ri­sche Ausein­an­der­set­zung mit Beet­hoven“. Beim Kompo­nieren schaue er ihm immer über die Schulter.

Ein dauer­haftes musi­ka­li­sches Rätsel

Als „ein dauer­haftes musi­ka­li­sches Rätsel“ erscheint Konstantia Gourzi seine Musik. Auch wenn sie es für eine bestimmte Zeit gelöst habe, tauche es wieder auf. Deut­lich empfinde sie „das dichte musi­ka­li­sche Denken“. 2005 kompo­nierte sie zur Einfü­gung in Beet­ho­vens Ballett­musik Die Geschöpfe des Prome­theus vier Minia­turen.

Konstanzia Gourzi ist beeindruckt von Beethovens dichtem musikalischen Denken.
Beein­druckt von Beet­ho­vens dichtem musi­ka­li­schen Denken: Konstanzia Gourzi
(Foto: © Astrid Acker­mann)

Unter dem Titel Gedichte zu Prome­theus op. 28 eröffnen sie eine zusätz­liche Sicht auf Prome­theus und bringen durch eine schein­bare Unruhe in der Musik, die Gourzi mittels häufiger Takt­wechsel und die Vertei­lung von Melo­dien auf verschie­dene Instru­mente hervor­ruft, zum Ausdruck, welche unter­schied­li­chen gött­li­chen Kräfte auf ihn wirken.

Ein Erzähler der Frei­heit

Der „unbän­dige Wille, stets einen Weg ins Freie zu finden“, ist es, was an Beet­ho­vens Musik ermu­tigt und bewegt. Beet­hoven ist für Eggert „ein Erzähler der Frei­heit“. Seine Musik symbo­li­siere „das posi­tive und schöp­fe­ri­sche Poten­zial im Menschen“.

Moritz Eggert spürt in Beethovens Musik das schöpferische Potenzial des Menschen.
Spürt in Beet­ho­vens Musik das schöp­fe­ri­sche Poten­zial des Menschen: Moritz Eggert
(Foto: © Susanne Diesner)

Charak­te­ris­tisch für Beet­hoven sei das Aufbauen einer Ordnung durch Wieder­ho­lungen, die er jedoch plötz­lich aufbreche, um einen radikal neuen Weg einzu­schlagen, „der uns über­rascht und sich befreiend anfühlt“. 2016 brachte Eggert ihm mit seinem Stück Hämmer­kla­vier XXV. Abwei­chung „eine ästhe­ti­sche Hommage“ dar. Der Titel bezieht sich nach Eggerts Worten auf die virtuose Inten­sität, die dieses Stück vom Inter­preten fordere und die keine neutrale Heran­ge­hens­weise zulasse.

Stärker als seine Krank­heit

Georg Friedrich Haas bewundert Beethovens geistige Kraft
Bewun­dert Beet­ho­vens geis­tige Kraft:
(Foto: © Kairos Music)

Beet­ho­vens geis­tige Kraft und sein künst­le­ri­scher Wille, die stärker gewesen seien als seine Krank­heit, wecken auch die Bewun­de­rung Georg Fried­rich Haas«: „Beet­hoven hat uns eine Klang­welt geschenkt, von der er wusste, dass er selbst sie niemals werde hören können.“

Mensch­liche Nähe zu Beet­hoven

Bern­hard Lang lässt die Bewäl­ti­gung des Lebens und „dessen Trans­for­ma­tion in eine Musik, die versucht, über sich selbst hinaus­zu­gehen“, sogar eine mensch­liche Nähe zu Beet­hoven empfinden. An seiner Musik reibt er sich. Was ihn faszi­niert, ist die Ambi­va­lenz zwischen den groß­ar­tigen inten­siven Momenten und den Entglei­sungen „ins Triviale“.

Als einen Dialog mit einem Giganten begreift Bernhard Lang eine Komposition für Beethoven.
Als einen Dialog mit einem Giganten begreift Bern­hard Lang seine Kompo­si­tion für Beet­hoven
(Foto: © Harald Hoff­mann)

So gehört Beet­hoven zu den ersten Kompo­nisten, die Lang 2003 mit seiner Kompo­si­tion Differenz/​Wiederholung 12 über­schrieb, um sich 201415 in seiner Mona­do­logie XXX erneut mit ihm zu befassen. Als einen „Dialog mit einem Giganten“ begreift er diese Arbeiten. Über­groß sei die Beet­hoven-Figur, „da kann man nur darunter kauern, da ist man zerquetscht von diesem Schatten“. 

Das Foto oben (© Randolf Bunge) zeigt die Skulp­turen von Ottmar Hörl, der damit einen Kontra­punkt zum gängigen Beet­hoven-Bild setzen will und die Menschen einlädt, sich neu auf Beet­hoven einzu­lassen.
Mehr dazu: www​.buer​ger​fuer​beet​hoven​.de

Mehr zu Beet­hoven in der Neuen Musik: crescendo​.de