Woher kommt eigentlich ...

Das Orff-Instru­men­ta­rium?

von Stefan Sell

5. Juli 2020

Carl Orff stellte sein eigenes Instrumentarium zusammen: Xylophon, Metallophon, Rasseln – in erster Linie sollte es die Lust am Spiel und am Rhythmus wecken.

Das Glocken­spiel, das Metall­o­phon und das Xylo­phon, die klin­genden Stäbe aus Holz und Metall, die Orff-Pauken, Trom­meln, Rahmen­trom­meln, Hand­pauken, Schellen, Schel­len­ringe, Schel­len­trom­meln, Rasseln, Maracas, Holz­block­trom­meln, Becken, Trian­geln, Finger­zim­beln, Kasta­gnetten, ja, auch Geräusch­ma­cher, Lärm- und Effekt­in­stru­mente, sie alle haben einen Platz in Orffs Instru­men­ta­rium bekommen. Ihre einfache Spiel­weise und der elemen­tare Zugang zu ihnen wecken die spon­tane Spiel­freude und fördern die Krea­ti­vität und das Vitale.

Orff war begeis­tert: „Stun­den­lang phan­ta­sierte und impro­vi­sierte ich auf dem neuen afri­ka­ni­schen Xylo­phon. Dabei eröff­nete sich mir eine neue Klang­welt, die mich faszi­nierte. Mit einem Schlag hatte ich das gefunden, was ich für den Ausbau meiner pädago­gi­schen Pläne brauchte.“

»Stun­den­lang phan­ta­sierte ich auf dem neuen afri­ka­ni­schen Xylo­phon«

Doch woher kommt eigent­lich sein vor allem auf Rhythmus ausge­rich­tetes Instru­men­ta­rium? begab sich früh auf Reisen, um dieses Instru­men­ta­rium zu finden. Er reiste gedank­lich in die große weite Welt und in längst vergan­gene Zeiten. Auf der Suche nach klang­li­cher Origi­na­lität führte ihn eine seiner imagi­nären Reisen in eine japa­ni­sche „Dorf­schule“ der Edo-Zeit.

„Die Dorf­schule“, die bekann­teste Szene aus dem legen­dären Fünf­akter des japa­ni­schen Puppen­thea­ters Suga­wara und das Geheimnis der Kalli­gra­phie wurde zu Gisei – Das Opfer, seinem ersten musi­ka­li­schen Bühnen­werk. Später empfand Orff den frühen Schaf­fens­aus­flug als „Entglei­sung“, ja gar als „jugend­li­chen Schiff­bruch“ und wollte seiner­seits das Werk einfach unter den Tisch fallen lassen.

»Debussy orches­trierte Gespräche zwischen Wind und Meer«

Was er in dem Moment nicht sah: Er hatte begonnen, ein Klima zu schaffen, in dem fremde Klänge und Instru­mente heimisch wurden. Inspi­riert war er von Debussy, der seit der Pariser Welt­aus­stel­lung 1889 sein Herz an java­ni­sche Gamel­ank­länge, anda­lu­si­sche Musik und asia­ti­sche Musik­thea­ter­formen verloren hatte. Debussy erhob die Klang­farbe in den Adels­stand, orches­trierte Gespräche zwischen Wind und Meer und machte Musik aus dem Spiel der Wellen. Ähnlich asso­zia­tive Klänge wurden für Orffs Schul­werk prägend. Debussys State­ment gegen­über seinem Verleger lautete 1907: „Musik besteht aus Farben und rhyth­mi­sierter Zeit.“ Klang­farben und elemen­tare Rhythmik wurden Orff zum Leit­stern.

Orff-Instrumente
Orff-Instru­mente (Foto: Apfe­lEva, Pixabay)

»Ich wollte lernen, lernen, lernen. Deshalb ging ich bei den alten Meis­tern in die Lehre«

Ein weiteres Ziel von Orffs Reise­lust war die Baye­ri­sche Staats­bi­blio­thek in . Sie wurde ihm zur Alma Mater: „Ich wollte lernen, lernen, lernen. Deshalb ging ich bei den alten Meis­tern in die Lehre.“ Er studierte die Musik des 16. und 17. Jahr­hun­derts, Curt Sachs, der deut­sche Musik­eth­no­loge und Begründer der wissen­schaft­li­chen Musik­in­stru­men­ten­kunde, machte Orff auf Monte­verdi aufmerksam. „Ich fand eine Musik, die mir so vertraut war, als hätte ich sie längst gekannt, als hätte ich sie nur wieder­ge­funden. Es war eine innere Über­ein­stim­mung.” Das war der Punkt: Orff spürte das Neue im Alten auf.

Eine andere, echte Reise führte ihn nach Berlin, wo Curt Sachs den Kompo­nisten durch die von ihm selbst kura­tierte staat­liche Instru­men­ten­samm­lung führte: „Mir schwin­delte von all dem, was er mir bei den zahl­losen Instru­menten aus aller Welt und allen Epochen von ‚Musik und Tanz« zu erzählen wusste“, berich­tete 1923 ein tief beein­druckter Carl Orff. Sachs hatte einen Grund­stein für die wissen­schaft­liche Musik­in­stru­men­ten­kunde gelegt.

Godela Orff: »Überall fand er alte Kult­in­stru­mente, deren Klänge ihn faszi­nierten«

1930 reist Orff nach Italien. Mehr und mehr keimt in ihm der Wunsch, in aller Welt umher­zu­reisen und zu sammeln. Seine Tochter Godela erin­nerte sich: „Mein Vater reiste nach Afrika und Asien, überall fand er alte Kult­in­stru­mente, deren Klänge ihn faszi­nierten und mit denen er sein großes Schlag­zeug­or­chester erwei­terte und immer aufre­gender gestal­tete.“

1900 lag bereits die sich inter­dis­zi­plinär auswei­tende „Rhyth­mus­be­we­gung“ in der Luft, der Schweizer Musik­päd­agoge Émile Jaques-Dalcroze, ein Vertreter der Verbin­dung von Musik und Bewe­gung, legte Funda­mente für die rhyth­misch-musi­ka­li­sche Erzie­hung.

»Leiden­schaft für elemen­tare Rhythmik und Alte Musik«

Doro­thee Günther, „eine junge Malerin, Zeich­nerin und Schrift­stel­lerin aus “ teilte mit Orff das beson­dere Inter­esse an elemen­tarer Rhythmik und die Leiden­schaft für Alte Musik. Mit ihr grün­dete Orff 1924 die Günther­schule. Dort bekamen ihrer beider Ideen von Musik und Bewe­gung Raum, und das Orff­sche Instru­men­ta­rium konnte sich weiter­ent­wi­ckeln. Seinen beson­deren Stel­len­wert fand es im Schul­werk, das Gunild Keetman, eins­tige Schü­lerin der Günther­schule, spätere Kompo­nistin und Musik­päd­agogin, zusammen mit Orff kreierte.

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Fotos: scholacantorum, Pixaby