Christian Gerhaher

Erfül­lung eines Traums

von Walter Weidringer

18. Oktober 2021

Sinnliche Klangfarben! Christian Gerhaher und Gerold Huber haben ihr Projekt der Gesamtaufnahme sämtlicher Lieder von Robert Schumann vollendet.

Musik und Lite­ratur waren die beiden Bega­bungen Robert Schu­manns, und welche die Über­hand gewinnen sollte, lag keines­wegs rasch auf der Hand: „Was ich eigent­lich bin, weiß ich selbst noch nicht klar. Ob ich ein Dichter bin – denn werden kann man es nie – soll die Nach­welt entscheiden“, schrieb der Halb­wüch­sige. Wenn es je einen Sänger gegeben hat, der den beiden Wort und Ton im Lied­schaffen Schu­manns mit glei­cher Hingabe gerecht werden wollte, dann .

Chris­tian Gerhaher und bei der Verlei­hung des 2019 mit Sehn­sucht nach der Wald­ge­gend von

Mit dieser Gesamt­auf­nahme hat sich der beken­nende „Schu­man­nianer“ einen Traum erfüllt – und weiß neben seinem lang­jäh­rigen Partner Gerold Huber am Klavier auch eine Schar promi­nenter Mitstreiter an seiner Seite: , , Sibylla Rubens, und . Stimm­li­cher Exhi­bi­tio­nismus ist Gerhaher fremd. Der breiter gewor­dene, doch stets fokus­sierte Klang seines modu­la­ti­ons­fä­higen Bari­tons steht ganz im Dienste der musi­ka­lisch über­höhten Dicht­kunst. Hand in Hand mit dekla­ma­to­ri­scher Gewis­sen­haf­tig­keit geht eine sänge­ri­sche Fein­ar­beit, bei der ihn Huber mit traum­wand­le­ri­scher Sicher­heit unter­stützt oder ihm den nötigen Wider­part bietet.

Christian Gerhaher und Nikolaus Huber
Chris­tian Gerhaher und sein lang­jäh­riger Partner am Klavier Niko­laus Huber
(Foto: Nikolaj Lund)

Auf dieser Basis wird bei Gerhaher, viel­leicht ein Paradox, manchmal kühle Präzi­sion zum zentralen Ausdrucks­träger, dann wieder eine fast fana­tisch anmu­tende Dring­lich­keit. Ein Vortrag ohne falsches Pathos jeden­falls, aber dennoch mit der erfor­der­li­chen Größe und Tiefe: etwa in den Beiden Grena­dieren. Im Zweifel gilt die Vermitt­lung des Wortes immer mehr als jede bloß schöne Phrase. Gerade die roman­ti­schen Zwischen­töne von der Heine’schen Ironie bis zum Schau­dern des Unheim­li­chen kommen durch Gerha­hers gleichsam kalli­gra­phisch-feurigen Vortrag voll zur Geltung.

Fotos: Gregor Hohenberg