Das Ende der Alpha-Intendanten
von Axel Brüggemann
23. Januar 2024
Die Theaterintendanten Guy Montavon in Erfurt und Uwe Eric Laufenberg in Wiesbaden sind von ihren Positionen entfernt worden. Beide Männer wurden beschuldigt, ihre Häuser in einer autoritären Art geleitet und Mitarbeiter missbraucht zu haben.
In Erfurt und Wiesbaden haben zwei Intendanten der Kulturpolitik das Leben schwer gemacht – doch nun wurde gehandelt.
Zwei Intendanten alten Schlages werden derzeit abgewickelt. Guy Montavon in Erfurt hat das wohl größte Intendanten-Büro Deutschlands und den größten Büro-Balkon, seit Jahren führt er sein Haus nach Gutsherrenart. Am Freitag wurden er und seine Verwaltungsdirektorin Angela Klepp-Pallas freigestellt. Es stehen Vorwürfe von sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch im Raum. Auch Uwe Eric Laufenberg hat sein Theater in Wiesbaden seit Jahren in einen Privat-Zirkus verwandelt, hat der Regierung in der Corona-Zeit den Kampf angesagt, politische Bedenken gegen Sängerinnen wie Anna Netrebko ignoriert und eine Fehde mit einem Lokalkritiker als öffentliches Drama inszeniert. Nach seinem ersten Gespräch mit Hessens neuem Kulturminister wurde nun bekannt, dass Uwe Eric Laufenberg sein Amt mit sofortiger Wirkung niederlegt. Sind Erfurt und Wiesbaden nur die Geschichten zweier unzeitgemäßer Theatermänner, die der Transformation des Kulturbetriebes zum Opfer gefallen sind? Oder geht es um ein grundlegendes Problem der deutschen Theaterlandschaft?
“Die Intendanten haben sich einen unkritischen Hofstaat angeschafft.“
Die beiden Alpha-Intendanten haben den Bogen offensichtlich seit Jahren überspannt, aber Theatermitarbeiterinnen und ‑mitarbeiter in Wiesbaden und Erfurt haben schon lange den Glauben daran verloren, dass die Kulturpolitik Konsequenzen zieht. Jahrelang konnten Laufenberg und Montavon ihre Häuser weitgehend ohne Korrektiv von außen führen. Und genau das scheint die eigentliche Frage hinter den beiden Personalien zu sein: Wie steht es um die kulturpolitische Verantwortung für die Unternehmenskultur in Kulturunternehmen?
“Die Mitarbeiter haben das Vertrauen in die Kulturpolitik verloren“
Starke Kulturmenschen sind für Kulturpolitiker Segen und Fluch zugleich. Auf der einen Seite kann Kulturpolitik sich im kreativen Ruhm von Freidenkerinnen und Freidenkern sonnen, gleichzeitig ist die Hemdsärmligkeit des Kulturbetriebes, das Denken wider die Normen, das Brechen von Konventionen ein radikales Gegenmodell zur Vorsicht, zum Maßhalten und zur Diplomatie der politischen Kultur. Kunst und Politik ringen seit jeher um ihre Positionen: Das Prinzip der künstlerischen Verunsicherung auf der einen Seite, das der politischen Sicherheit auf der anderen. Wir kennen das nicht nur aus Wiesbaden oder Erfurt. Berlins Kultursenator Klaus Lederer hat nach den Machtmissbrauchs- Vorwürfen gegen Star-Dirigent Daniel Barenboim zwar Mediationsprozesse angestoßen, aber aus denen ist der Dirigent schnell ausgestiegen – und trotzdem wurde Barenboims Vertrag verlängert. Zu groß war der Ruhm des Künstlers für die Politik.
„Starke Kulturmenschen sind für Kulturpolitiker Segen und Fluch zugleich“
In Wiesbaden ist das Ringen zwischen dem Kultur-Enfant terrible Uwe Eric Laufenberg und der damaligen Hessischen Ministerin für Kultur, Angela Dorn (Grüne), bereits vor Jahren eskaliert. Laufenberg erhob das Theater bewusst zum Gegenpol der Politik und schien es zunehmend als seine Aufgabe zu verstehen, das Theater als Ort der radikalen Opposition zu positionieren. Dafür errichtete er einen Hofstaat, der allein um ihn kreiste. Der kritische GMD Patrick Lange wurde weggeekelt, der Widersacher in der Geschäftsführung, Holger von Berg, schlechtgeredet, und von der Chefdramaturgie bis zur Presseabteilung scharte Laufenberg kritiklose Jüngerinnen und Jünger um sich. Statt zum Ort der öffentlichen Debatte schrumpfte sein Haus so zum Ort der Beweihräucherung des Intendanten.
„Theater brauchen eine mutige Kulturpolitik, die sich offensiv um die Unternehmenskultur an Kulturunternehmen kümmert“
Die Ministerin ließ ihn lange gewähren, mischte sich nicht in die Kunstfreiheit ein. Es gab zwar eine Abmahnung, aber letztlich verpasste Dorn es, ihre Aufgabe als Kontrollinstanz und als Verantwortliche für das Befinden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konsequent wahrzunehmen. Der Konflikt zwischen Laufenberg und Dorn wurde persönlich. Und tatsächlich lenkte der Intendant erst jetzt ein, nach dem Regierungswechsel in Hessen. Erst Dorns Nachfolger, der neue Minister für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels (SPD), bewegte Laufenberg zum Abdanken – und das in seinem ersten Gespräch mit dem Intendanten. Ähnlich lange zog sich die Kritik an Guy Montavon in Erfurt hin. Aber Bürgermeister Andreas Bausewein ignorierte alle Vorwürfe und Hilferufe aus dem Theater konsequent. Die Vertragsverlängerung von Montavon, der sein Haus ebenfalls zu einem Hofstaat verwandelt hatte, wurde zwar an einen begleiteten Transformationsprozess gekoppelt. Aber bei dem fühlte sich ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr angesprochen. Viele hatten es einfach verlernt, öffentlich Kritik an ihrem Chef zu äußern und haben resigniert. Auch, weil sie gelernt hatten: Aufbegehren wird bestraft. Als die Frauenbeauftragte der Stadt Erfurt, Mary-Ellen Witzmann, Vorwürfe erhob, wurde es nicht eng für den Intendanten – stattdessen wurde die Frauenbeauftragte gefeuert.
Dass der Bürgermeister von Erfurt nun handelte und Montavon beurlaubte, liegt wohl eher an der Schwere der Vorwürfe, die eine unabhängige Kommission letztlich gesammelt und vorgelegt hat. Auch hier ist von sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch die Rede.
Die Fälle Wiesbaden und Erfurt zeigen, dass Kulturfreiheit ein hohes Gut ist, dass Theater aber eine mutige Kulturpolitik brauchen, die sich offensiv um die Unternehmenskultur an Kulturunternehmen kümmert.