Oksana Lyniv

„Ich betreibe kein Whithe­wa­shing für Curr­entzis“

von Axel Brüggemann

2. Februar 2024

Die Wiener Festwochen müssen umdisponieren: Die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv will nicht in einen Kontext mit Teodor Currentzis gestellt werden - wegen dessen Verbindungen zu Russland und seiner Haltung zum Angriffskrieg auf die Ukraine.

Die ukrai­ni­sche Diri­gentin will sich nicht von den Wiener Fest­wo­chen instru­men­ta­li­sieren lassen. Das Festival von Inten­dant Milo Rau hatte bekannt gegeben, dass das SWR Orchester unter seinem Chef­di­ri­genten im Burg­theater Brit­tens „War Requiem“ aufführen wird und Oksana Lyniv mit dem Kyiv Symphony Orchestra im Konzert­haus die Kompo­si­tion „Babyn Jar“, das „Kaddish Requiem“ des Ukrai­ners Jevhen Stan­ko­vych. 

Beide Diri­genten seien „seit dem Beginn des Angriffs­kriegs der russi­schen Streit­kräfte gegen die Ukraine zwangs­läufig Reprä­sen­tanten ihres jewei­ligen Landes“, hieß es von den Fest­wo­chen. Das Festival wolle die Frage nach der Verant­wor­tung und nach den Grenzen der Kunst als utopi­schem Raum in aller Schärfe thema­ti­sieren. Aller­dings sei ein direkter Austausch, eine Diskus­sion oder ein Dialog zwischen Lyniv und Curr­entzis nicht geplant. Obwohl Curr­entzis Orchester Musi­cAe­terna Gelder der sank­tio­nierten VTB-Bank erhält, mit Gazprom-Spon­so­ring auftritt und seine Musiker deut­sche Jour­na­listen als „Faschisten“ beschimpften, erwarten die Fest­wo­chen keine klare Posi­tio­nie­rung vom Diri­genten.

„Ich kann das Konzert nicht gegen­über den Musi­ke­rinnen und Musi­kern, die aus dem Krieg kommen verant­worten.“

Oksana Lyniv

Auf Anfrage erklärte Lyniv nun, dass sie erstaunt über die Aussendung der Fest­wo­chen gewesen sei und unter diesen Bedin­gungen nicht auftreten wolle. In einem State­ment schrieb sie: „Ich kann es gegen­über den fast 150 Musi­ke­rinnen und Musi­kern, die aus dem Krieg in der Ukraine nach Wien reisen, nicht verant­worten, in einem Kontext mit Teodor Curr­entzis gestellt zu werden und even­tuell sogar an einem White­washing teil­zu­nehmen. Curr­entzis Verbin­dungen nach Russ­land und sein Schweigen zum Angriffs­krieg auf meine Heimat machen es derzeit unmög­lich für mich, in einem Kontext mit ihm aufzu­treten. Es war auch mit den Fest­wo­chen nicht abge­spro­chen, dass die Konzerte mitein­ander in Verbin­dung stehen. Ich hoffe sehr, dass wir in den nächsten Wochen eine gemein­same Lösung mit den Wiener Fest­wo­chen finden.“

„Ich halte an Lyniv fest, alles andere ist offen.“

Milo Rau

Milo Rau erklärt auf Anfrage, dass das ukrai­ni­sche „Kaddish Requiem“ für ihn im Zentrum der Fest­wo­chen stehe und er unbe­dingt an einer Auffüh­rung fest­halten wolle. „An allem anderen halte ich nicht krampf­haft fest“, erklärte Rau, „da befinden wir uns im Prozess der Abstim­mung mit allen Betei­ligten und bitte um ein wenig Zeit, um zu einer Lösung zu kommen.“ Der Fest­wo­chen-Inten­dant bestä­tigte, dass er einen Auftritt allein von Teodor Curr­entzis derzeit für „frag­würdig“ halte. Der SWR ließ wissen, dass er von den Wiener Fest­wo­chen noch nicht infor­miert worden sei.

Fotos: Serhiy Horobets