Simon Stone und Vladimir Jurowski

»Die Angst der Männer vor der weib­li­chen Sexua­lität«

von Ruth Renée Reif

25. Juni 2022

Krzysztof Pendereckis »Die Teufel von Loudun« hat am 27. Juni 2022 im Rahmen der Münchner Opernfestspiele an der Bayerischen Staatsoper Premiere und ist auf Staatsoper.TV im Livestream zu erleben.

setzt Krzy­sztof Pender­e­ckis Oper Die Teufel von Loudun über Beses­sen­heit, Exor­zismus und poli­ti­sche Intrigen in Szene. „Die Angst der Männer vor der weib­li­chen Sexua­lität“ sei es, die Stone an der Oper faszi­niere. „Dass Frauen ihr Begehren, ihre Lust, die Erfül­lung ihrer eigenen Sehn­süchte frei ausleben können, muss furcht­erre­gend gewesen sein.“ Aušrine Stun­dyte verkör­pert Jeanne. Als Gran­dier steht Robert Dölle anstelle des erkrankten auf der Bühne, während Jordan Shanahan die Partie singt. Die musi­ka­li­sche Leitung liegt in den Händen von Vladimir Jurowski.

Trailer zu Simone Stones Insze­nie­rung von Krzy­sztof Pender­e­ckis Oper Die Teufel von Loudun an der Baye­ri­schen Staats­oper

Die Oper basiert auf einer gleich­na­migen histo­ri­schen Studie, die Aldous Huxley 1952 anfer­tigte. Die Ereig­nisse, die Huxley auf wissen­schaft­liche Weise rekon­stru­ierte, voll­zogen sich im Zeit­alter der Aufklä­rung, im Frank­reich Ludwigs XIII. Jeanne des Anges, die Äbtissin des Ursu­li­nen­klos­ters von Loudun, behaup­tete, sie und ihre Nonnen seien vom Teufel besessen. Die Nonnen beschul­digten den Pfarrer Urban Gran­dier, dafür verant­wort­lich zu sein. Gran­dier wird verhört, gefol­tert und schließ­lich auf dem Schei­ter­haufen verbrannt.

Huxley unter­sucht in seiner Studie anhand der Ereig­nisse die Wech­sel­be­zie­hungen zwischen Mysti­zismus und Politik, Heilig­keit und Erotik. Er löste damit erregte Diskus­sionen aus. Sie inspi­rierten John Whiting zu seinem Drama The Devils, das die Hand­lung an der Zeiten­wende von Mittel­alter und Neuzeit ansie­delt, in der die Kirche die Verkör­pe­rung des Selbst im Menschen als Aufstieg des Teufels ansieht.

Die Teufel von Loudun, Bayerische Staatsoper
Szenen­foto zu Simon Stones Insze­nie­rung Die Teufel von Loudun an der Baye­ri­schen Staats­oper

Der Priester Urban Gran­dier als Vertreter der Neuzeit betrachtet sich als Indi­vi­duum in seinen Zwei­feln, Verfeh­lungen und Gefühlen. Erst auf dem Schei­ter­haufen findet er zu Gott: „Denn sie verstehen nicht die Glorie der Sterb­lich­keit, und nicht den Zweck des Menschen: Einsam­keit und Tod.“

Pender­ecki nahm Whitings Drama­ti­sie­rung des Stoffs in der Über­set­zung des Dich­ters Erich Fried als Vorlage für seine Oper. Den Grund­satz des Heiligen Chry­sostomus „Daemoni, etiam vera dicenti, non est credendum“ (Dem Teufel ist nicht zu glauben, wenn er auch die Wahr­heit spricht) stellte er seiner Oper als Motto voran. Dieser Grund­satz wird durch die Ereig­nisse in sein Gegen­teil verkehrt. Was der Teufel bezie­hungs­weise eine vom Teufel beses­sene Nonne in ihrer Hysterie und sexu­ellen Verkramp­fung aussagt, kann für juris­ti­sche Zwecke als Wahr­heit genutzt werden.

Die Teufel von Loudun, Bayerische Staatsoper
Szenen­foto mit Wolf­gang Koch und Aušrine Stun­dyte von Simon Stones Insze­nie­rung Die Teufel von Loudun an der Baye­ri­schen Staats­oper

Das Thema der Sexua­lität ist für Simon Stone eine falsche Fährte, die das Stück lege. Es demons­triere einen bis heute gültigen Mecha­nismus. „Wenn man die Karriere einer Person des öffent­li­chen Lebens sicher zerstören will, muss man etwas Sexu­elles verwenden, das wird stets Empö­rung hervor­rufen. Aus irgend­einem Grund verknüpfen wir immer noch Sexua­lität mit Moral.“

Für Jurowski ist die Oper „eine Polit­sa­tire“. Als unglaub­lich wirkungs­volles Spek­takel bezeichnet er sie „voller sexu­eller Fanta­sien aus dem Dunst­kreis von Frau­en­klös­tern und in den Szenen von Folter und Hinrich­tung auch von einer grau­en­vollen Drastik“. Musi­ka­lisch stecke alles in dem Werk „von der Grego­rianik über aufge­zeich­nete Glocken und Bari­ton­sa­xo­fone bis zum E‑Bass und der verstärkten Singenden Säge“.

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Weitere Informationen zu den Aufführungen von Krzysztof Pendereckis Oper Die Teufel von Loudun an der Bayerischen Staatsoper am 27. und 30. Juni, am 3. und 7. Juli 2022 sowie am 11., 14. und 16. März 2023 auf: www.staatsoper.de 

Weitere Informationen zur Übertragung der Premiere von Krzysztof Pendereckis Oper Die Teufel von Loudun am 27. Juni 2022 im Livestream auf: Staatsoper.TV

Fotos: Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper