Daniel Hope trifft Mark-Anthony Turnage
»Du musst besessen sein«
von Daniel Hope
25. Oktober 2018
Daniel Hope trifft Mark-Anthony Turnage. Ein Gespräch über Kompromisslosigkeit, Offenheit, Kontrapunkt und – Fußball.
Daniel Hope spielte mit Vadim Repin in Istanbul die Première von Shadow Walker, einem Konzert für zwei Geigen von Mark-Anthony Turnage. Ein Gespräch über Kompromisslosigkeit, Offenheit, Kontrapunkt und – Fußball.
Daniel Hope: Mark, was war die Herausforderung, für zwei Violinen zu schreiben?
Mark-Anthony Turnage: Ich fand es in gewisser Weise gar nicht so herausfordernd, weil mir die Vorstellung, dass zwei Persönlichkeiten sich gegenseitig ausspielen, ziemlich gefallen hat. Ich mag diese Idee mit zwei Solisten. Die eigentliche Challenge war, dass es nicht viele Konzerte für zwei Solisten gibt. Eines davon ist ein absolutes Meisterwerk: das Bach-Doppelkonzert. Das hat mich etwas eingeschüchtert.
War das türkische Orchester eine Hürde?
Ich wollte die Instrumente kennenlernen, die westlichen Orchestern nicht vertraut sind. Und noch bevor man Lauten, orientalische oder türkische Instrumente wahrnimmt, hört man hauptsächlich Schlagzeug. Deshalb habe ich recherchiert. Das Problem dabei war, dass es künftige Auftritte aufgrund der ungewöhnlichen Instrumentation einschränken könnte. Also habe ich nach Alternativen gesucht. Gleichzeitig ist es wunderbar, eine türkische Klangwelt zu haben. Ich kannte das Borusan Istanbul Philharmonic Orchestra, denn ich habe es – mit dir als Solist – im Radio bei den BBC Proms gehört. Sascha Goetzel dirigierte.
„Meine einzige Chance, wirklich Teil von etwas zu sein, ist, mit Musikern zusammenzuarbeiten“
Kurios ist, dass ich gerade in Luxemburg war und mit Vadim Repin und Sascha Goetzel zu Abend aß. Wir meinten, wie wunderbar es wäre, mal ein Stück für zwei Violinen zusammen zu spielen und sagten aus Spaß: Lasst uns versuchen, Mark zu erreichen! Es hat geklappt!
Das hat mich alles fasziniert. Und natürlich hat mich Istanbul gereizt! Ich war Mitte der 80er-Jahre dort – und habe es geliebt. Das ganze Paket, das du dir ausgedacht hast, war sehr attraktiv. Vadim Repin – ich kannte ihn von einer Aufnahme des Violinkonzerts von Brahms. Mir waren alle bekannt, was ein schöner Anfang für das ganze Stück war.
2006, als ich im Beaux Arts Trio spielte, bekamst du von uns den Auftrag für A Slow Pavane. Für Menahem Pressler, Gründer des Beaux Art Trios – er war damals schon fast 80 –, war das eine völlig neue Musiksprache. Er war bei den Proben so in seinem Element! Ist es für dich ein Unterschied, ob ein Interpret deine Ideen umsetzt oder ob er auch sein eigenes Ding durchzieht?
Das Tolle an der Arbeit mit verschiedenen Spielern – deshalb arbeite ich auch gern mit Jazzmusikern – ist dieser einzigartige Sound. Ich mag die Teamarbeit. Und ich mochte die Erfahrung mit den Beaux Arts sehr. Meine einzige Chance, wirklich Teil von etwas zu sein, ist, mit Musikern zusammenzuarbeiten. Ich erinnere mich, dass du mich mehrmals gebeten hast, nichts zu ändern. Aber ihr habt einen Satz neu interpretiert. Ich mag das. Es regt mich an.
„Lerne den Kontrapunkt – er ist eine Schwäche vieler Komponisten“
Deine Oper Greek feiert 30-jähriges Bestehen. Greek hat die Oper verändert. Welchen Anteil hat Hans Werner Henze an deinem Weg?
Henze hat gewissermaßen meine internationale Karriere bereits vor meiner ersten Zusammenarbeit mit Simon Rattle angeschoben. Ich war mit Henze in Tanglewood und traf ihn auch durch meinen großartigen Lehrer Oliver Knussen, der leider kürzlich verstorben ist. Henze hat an mich geglaubt. Er sagte immer, ich sei ein dramatischer Komponist und würde gut für das Theater schreiben. Er hat etwas gewagt mit mir. Ich war ja gerade mal 26, als Greek in Auftrag gegeben wurde. Er machte mich mit dem Dramatiker Steven Berkoff und dem Regisseur Jonathan Moore bekannt. Hinter fast jeder Idee steckte Henze.
Wenn heute ein junger Komponist nach Ratschlägen fragt, was antwortest du ihm?
(Lacht) Nun, du musst komplett von Musik besessen sein. Als junger Komponist musst du alles wissen, musst dir alles anhören. Als ich 15 oder 16 war, habe ich einfach alles aufgesogen. Wenn man anfängt, dann braucht man die Technik, man muss wirklich lernen. Ich würde sagen, du brauchst Obsession, aber auch: Kontrapunkt. Lerne den Kontrapunkt – er ist eine Schwäche vieler Komponisten. Ich bin froh, dass ich einen Lehrer hatte, der darauf bestand. Ich wurde in gewisser Weise auf eine deutsche Art erzogen, weil es die Musik war, von der ich besessen war. Wenn ich heute vor Studenten stehe, die keine Obsession haben, macht mir das Sorgen.
Letzte Frage: Wir sind beide Fans von Arsenal London. Wie wird die Saison?
Wir werden wieder Fünfter oder Sechster? Es ist erbärmlich. Weil es keine Entwicklung gibt. Mag falsch sein. Als pessimistischer Fan aber sage ich jedem: Wir werden 3:0 verlieren. Und hoffe, dass es besser wird!