Eckart Runge

Ein musi­ka­li­sches Multi­versum

von Stefan Sell

17. September 2020

Eckart Runge widmet sich auf dem Album „Transitions“ mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Frank Strobel den Cellokompositionen von Nikolai Kapustin und Alfred Schnittke.

Am 2. Juli 2020 ist Nikolai Kapustin in Moskau gestorben. In einem Inter­view mit dem ameri­ka­ni­schen Musik­ma­gazin Fanfare sagte er vor 20 Jahren, er wolle nicht berühmt werden. Dieser Wunsch wird sich nicht erfüllen. Längst ist Kapustin kein Geheim­tipp mehr. Das Inter­esse an seinem Gesamt­werk ist enorm gewachsen, davon zeugen zahl­reiche Aufnahmen und Auffüh­rungen.

Präde­sti­niert für dieses Werk

Eckart Runge
Erhielt die Noten aus den Händen Nikolai Kapus­tins und gibt damit sein Solo­debüt: der Cellist Eckart Runge

Diese traum­hafte Erst­ein­spie­lung von Kapus­tins erstem Cello­kon­zert ist das Solo­debüt des Ausnah­me­cel­listen Eckart Runge. Runge war bis 2019 Cellist des Quar­tetts. Kein anderer scheint so präde­sti­niert für dieses Werk wie er. Nicht nur, dass er die Noten des Werkes aus den Händen des Kompo­nisten bekommen hat und mehr­fach Gele­gen­heit hatte mit ihm die Inter­pre­ta­ti­ons­mög­lich­keiten durch­zu­spre­chen, was hier zu hören ist, haut einen schier um.

Über­wäl­ti­gende Energie

Die über­wäl­ti­gende Energie und Tiefe des Zusam­men­spiels, die Runge mit dem unter der Leitung von gelungen ist, setzt für alle zukünf­tigen Aufnahmen Maßstäbe. Neben dieser Tiefe blitzt immer wieder eine eigen­willig augen­zwin­kernde Gewitzt­heit auf. Die Spezia­lität des ukrai­ni­schen Kompo­nisten, Klassik und Jazz wie eine Kreu­zung in der Pflan­zen­welt in eine Hybrid­gat­tung über­gehen zu lassen, ist in dieser Form einzig­artig und unver­gleich­lich als Kapustin eigen zu nennen.

Das Flie­ßende

Über­gänge („Tran­si­tions”) – kein anderer Titel hätte tref­fender sein können. Weder das Vorher noch das Nachher spielt eine Rolle, alles Stati­sche wird belanglos, die Phase des Über­gangs, das Flie­ßende selbst wird zum Fokus. Das entspricht auch dem Über­gang zum Cello­kon­zert Nr. 1 von Alfred Schnittke. Was sich bei Kapustin hori­zontal ausbreitet, schichtet sich bei Schnittke in viel­fa­cher Stilistik vertikal.

Univer­selle Weis­heit

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Widmet sich den Konzerten Nikolai Kapus­tins und Alfred Schnittkes: das Rund­funk-Sinfo­nie­or­chester Berlin unter Frank Strobel
(Foto: © Simon-Pauly

In beiden Werken ist es nicht Eklektik, sondern univer­selle Weis­heit, die Musik als Ganz­heit erfahrbar werden lässt. Sind es bei Kapustin die Spek­tral­farben, die ein musi­ka­li­sches Multi­versum erleuchten, klingt in Schnittkes Cello­kon­zert ein dunkles Strömen ferner Gala­xien.

Klug und einfühlsam kontu­riert

Schnittkes Werk offen­bart innere Zerris­sen­heit, Zerris­sen­heit, die, im Flug verweht, sich schwe­bend neu zusam­men­fügt. Wie ein beschei­denes Motiv unbe­irrbar selbst­be­stimmt den Klang­raum erobert, wird von Runge so klug und einfühlsam kontu­riert, dass hörbar wird, wie gut die thema­tisch gewählten Über­gänge korre­spon­dieren, sich gera­dezu verbrü­dern.