Hans Knappertsbusch
Ein Sammlertraum
von Jens Laurson
7. Oktober 2023
Die lang erwartete Veröffentlichung der 1955er »Parsifal«-Aufführung unter Hans Knappertsbusch bietet Opernliebhabern und Sammlern nun erstmalig die Möglichkeit, die historische Interpretation in verbesserter Audio-Qualität und voller Länge zu erleben.
Parsifal-Aficionados haben lange darauf warten müssen: Die Aufnahme der 1955er Aufführung unter Hans Knappertsbusch. Jahrelang war die Aufnahme nur unvollständig oder inoffiziell als Mitschnitt einer BBC – Übertragung zu hören. Diese Unzugänglichkeit schadete ihrem Renommee jedoch keineswegs: ein Dirigat mit Urkraft, Vorwärtsdrang und Dynamik und eine Aufnahme stimmlicher Meisterleistungen. Eine Bayreuther Sternstunde – so zumindest berichten es die Kritiker.
Jetzt hat das Plattenlabel Profil/Hänssler die gesamte Oper vom Mitschnitt des BR herausgebracht, und es stellt sich die Frage, ob der Ruf der Interpretation die Erhältlichkeit überlebt. Soviel vorweg: Die remasterte Aufnahme hat im Vergleich zum BBC-Mitschnitt ein weitaus feineres Tonerlebnis zu bieten, die Stimmen kommen alle gut heraus, auch wenn der Mono-Klang letztendlich mittelmäßig bleibt. Was das zweidimensionale Orchester betrifft, kommt allerdings auch diese Aufnahme nicht annähernd an die plastische Darstellung der Stereo Philips Aufnahme von 1962 heran.
Die Tempi sind für Knappertsbuschs Verhältnisse auf der straffen Seite, was diese Einspielung von seinen Interpretationen aus den 50ern positiv abhebt. Ludwig Webers dramatischer Gurnemanz klingt etwas angestrengt, Martha Mödl ist auf ihrem Höhepunkt als Gänsehaut-Kundry, George London singt einen edlen, strahlend klaren Amfortas, bei Neidlingers attraktiv-bösem Klingsor möchte man fast die Seiten wechseln, und Fischer-Dieskaus Amfortas ist definitiv nicht manieriert, sondern frisch und erstaunlich gesund. Ramón Vinays Parsifal kommt schroff bellend daher, was verwundert, aber den Ton des im ersten Akt noch ungehobelten Parsifals gut trifft.
Eine Aufnahme, die viele Sammler sicherlich schon lange herbeigesehnt haben.