Enrique Mazzola

Ein Befrei­ungs­schlag

von Attila Csampai

5. Januar 2019

Mit Frische und emotionaler Wärme befreit Enrique Mazzola am Pult des Orchestre national d’Île-de-France Beethovens "Fünfte Sinfonie" von allem Titanismus.

Bisher glänzte Enrique Mazzola vor allem als tempe­ra­ment­voller Opern­di­ri­gent. Seit 2012 leitet er auch das 1974 gegrün­dete, bei uns noch kaum bekannte Orchestre national d’Île-de-France, das vor allem die Region um Paris bespielt. Gerade erschien sein erstes Beet­hoven-Album, und ich muss gestehen, dass ich schon seit Langem keine so aufre­gende Inter­pre­ta­tion zweier wirk­lich abge­spielter Werke gehört habe: Für das einlei­tende Erste Klavier­kon­zert verpflich­tete er den mitt­ler­weile welt­weit bekannten Cédric Tiber­ghien, der ein eindrucks­volles Exempel seiner Intel­li­genz und schla­cken­losen Präzi­sion ablie­fert. Eine ähnliche pulsie­rende Leben­dig­keit und struk­tu­relle Prägnanz gab es zuletzt vor mehr als 60 Jahren, als mit Vladimir Golsch­mann eine ewige Refe­renz­marke setzte. Die anste­ckende Spon­ta­nität, die Frische und emotio­nale Wärme der Aufnahme verdankt sich auch dem nervig-trockenen, histo­risch sensi­bi­li­sierten Orchester. Bei der anschlie­ßenden Fünften Sinfonie aber verscheucht Mazzola voll­ends allen alten Tita­nismus und führt sie zurück in die schlanken Dimen­sionen eines kammer­mu­si­ka­li­schen Expe­ri­ments. Selbst der trium­phale Schluss­satz verwan­delt sich in einen elysi­schen Freu­den­tanz und tönt wie ein launiger Vorgriff auf die pasto­rale Heiter­keit der „Sechsten“: ein Befrei­ungs­schlag!