Boesch & Martineau
Unheilbare Todeswunden
14. Juli 2023
Der Bariton Florian Boesch und der Pianist Malcolm Martineau interpretieren auf ihrem Album die beiden Liederzyklen »Dichterliebe« und »Kerner Lieder« von Robert Schumann.
Zwei Schumann-Zyklen wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, hier die 16 – ursprünglich 20 – Lieder der Dichterliebe, dort die 12 Kerner Lieder, deren Reihenfolge für den Vortrag nicht festgelegt ist. Beide Male gibt es bei Florian Boesch eine Reise von der vergeblich Geliebten in die Welt hinaus und am Ende in die stille Katastrophe. Ab Hör ich das Liedchen klingen, dessen Vortragsangabe „Langsam“ Boesch wörtlich nimmt und das bei ihm (statt zwei) fast drei Minuten dauert, verfestigt sich die Tragödie der Dichterliebe unerbittlich, und der Bariton verfällt immer öfter in fast somnambul gehauchten Sprechgesang, während Malcolm Martineau am Flügel agogisch immer freier und eigenständiger kommentiert.
Mit Aus alten Märchen kommt etwas Leben ins Ganze, bevor alle Liebe und aller Schmerz mit einem großen, schweren Sarg ins Meer versenkt werden – unendlich langsam und leise gesungen. So beginnen auch die Lieder nach Gedichten von Justinus Kerner mit der todtraurigen Nr. 2 (Stirb, Lieb‘ und Freud‘), bevor in Wanderlied (Nr. 3) und Lust der Sturmnacht (Nr. 1) vitale Kampfeslust sich gerade noch Bahn brechen können. Nr. 4 (Erstes Grün) rückt zwischen Platz 9 und 10, die beiden letzten Lieder aber, in denen das lyrische Ich unheilbare „Todeswunden“ davonträgt, klingen noch trauerumflorter, als schon von Schumann komponiert. Eine faszinierende Aufnahme, die in ihrer Schwärze nichts für trübe Tage ist, sondern das Gegengift flirrend heller Sommerhitze braucht.