Andreas Kilcher
Kühner Strich
von Stefan Sell
15. Januar 2022
Eine Sensation! Über 100 Zeichnungen Franz Kafkas wurden 2019 in einem Züricher Banksafe entdeckt. In diesem Band werden sie erstmals veröffentlicht.
Kann man sich Kafkas Zeichnungen anders als schwarz-weiß vorstellen? Und doch sind sie voller Zwischentöne. Intensiv in der Kraft der Linien, ziehen sie den Betrachter in einen tiefen Sog, hypnotisieren und faszinieren. Sensationell, was da auf fast 400 Seiten zu Tage tritt. Manches Bekannte: Wer sich an die Kafka-Ausgaben im Fischer-Verlag erinnert, wird sich die markanten, fast logo-artigen Zeichnungen Kafkas vergegenwärtigen, kaum eine andere Covergestaltung hätte Kafkas Wort besser auf den Punkt bringen können als der kühne Strich aus eigener Hand.
Viel Unbekanntes: Neben fein schattierten Portraits glaubt man in den stilisierten, karikaturhaften Figuren Spiegelbilder seiner selbst zu erkennen. Und dann, anmutig wie persische Kalligrafie, taucht immer wieder ein Federschwung auf, der regelrecht betört. Dem Schweizer Literaturwissenschaftler Andreas Kilcher ist es auf besondere Weise gelungen, das grafische Werk in zahlreiche, begleitende Dokumente, Faksimiles und erläuternde Textbeiträge sorgfältig und behutsam einzubetten.