Ensemble Modern
Für eine neue globalisierte Identität
von Ruth Renée Reif
23. September 2020
Das Ensemble Modern stellt unter dem Titel „Vielfalt erleben“ Werke schwarzer Komponisten vor. Kurator ist George E. Lewis. Die musikalische Leitung übernimmt Vimbayi Kaziboni.
Das Ensemble Modern stellt in zwei Konzerten, am 7. November 2020 in der Philharmonie Essen und am 13. November 2020 in der Alten Oper Frankfurt, unter dem Titel „Vielfalt erleben“ Werke schwarzer Komponisten vor. Zur Aufführung kommen Werke von Daniel Kidane, Tania León, Jessie Cox, Alvin Singleton, Hannah Kendall und Andile Khumalo. Kurator ist George E. Lewis. Die musikalische Leitung übernimmt Vimbayi Kaziboni.
Schwarze Komponisten kommen im klassischen Konzertbetrieb nicht vor. Sieht man von Chevalier de Saint-Georges Joseph Bologne ab, der hin und wieder als Kuriosum vorgeführt wird, finden sich in den Programmen der Opern- und Konzerthäuser deren Werke nicht. Mit seinem Projekt „Afro-Modernism in Contemporary Music“ widersetzt sich das Ensemble Modern der eklatanten Nichtberücksichtigung afro-diasporischer klassischer Komponisten.
Die Musiker sind überzeugt, dass es eine Verarmung bedeute, der vielfältigen Erfahrungen, Ästhetiken und Praktiken afro-diasporischer Neuer Musik beraubt zu sein. Eine neue globalisierte Identität zu entwickeln, so betonen sie, sei der Wandel, für den die zeitgenössische Musik im 21. Jahrhundert stehe. In zwei Konzerten in der Philharmonie Essen und in der Alten Oper Frankfurt stellen sie sechs Werke schwarzer Komponisten vor. Der Posaunist und experimentelle Komponist George E. Lewis kuratiert das Projekt. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Vimbayi Kaziboni.
Daniel Kidane ist ein britischer Komponist mit eritreisch-russischen Wurzeln. In seinem Streichquartett Foreign Tongues mischt er traditionelle Musik aus Eritrea und Russland mit dem aggressiven und dunklen Klang von Grime, einem urbanen Musikstil, der seinen Ursprung im Londoner Eastend hat.
Tania León kam in Havanna zur Welt. Als Mitbegründerin des American Cmposers Orchestras Sonidos de las Américas Festivals fördert sie Composers of Color aus Lateinamerika. Ihr Werk Indigena ist voller rhythmischer Komplexität, polyphoner Strukturen und wie improvisiert wirkender Melodien.
Jessie Cox, der in der Schweiz aufwuchs, ist Komponist und Schlagzeuger. In seinem Stück Existence lies In-Between arbeitet er mit mikrotonalen Intervallen und erforscht unterschiedliche Klangfarben.
Alvin Singleton kam in New York zur Welt und lebte über 14 Jahre in Graz. Seine Kompositionen Again wurde 1979 beim Festival Steirischer Herbst uraufgeführt.
Hannah Kendall wurde in London geboren und lebt in New York. Für ihre Komposition Verdala aus dem Jahr 2018 ließ sie sich von dem Gedicht O Human Guide des gayanischen Lyrikers Martin Carter inspirieren. Es erinnert an das British West Indies Regiment, in dem während des Ersten Weltkrieges Männer aus der Karibik in Europa kämpften.
Andile Khumalo aus Südafrika umkreist in seiner Komposition Inner Self für Klavier und Orchester die Frage der Identität. Angeregt dazu haben ihn „die Spannungen zwischen den afrikanische ‚Migranten‘ und Afrikanern innerhalb Südafrikas“.
Der Mythos Abwesenheit
Zudem findet am 12. und 13. November 2020 im Haus der Deutschen Ensemble Akademie in Frankfurt am Main ein zweitägiges Symposium zu „Afro-Modernism in Contemporary Music“ statt. Komponisten diskutieren mit Wissenschaftlern über den „Mythos Abwesenheit“, wie die afro-diasporische Komponistin, Wissenschaftlerin und Pianistin Dana Reason das Fehlen schwarzer Komponisten in der Klassik-Welt nennt.
Mehr zu dem Projekt „Vielfalt erleben. Afro-Modernism in Contemporary Music“ auf: www.enemble-modern.de