Genova & Dimitrov

Tradi­tio­na­list aus Über­zeu­gung

von Walter Weidringer

31. Januar 2023

Das Piano Duo Genova & Dimitrov hat sämtliche Werke für zwei Klavier von Carl Reinecke aufgenommen und bringt überraschende Entdeckungen.

Wer war Carl Reinecke (1824–1910)? Auf die Seite der progres­siven Neudeut­schen hat sich der Pianist, Kompo­nist und Diri­gent jeden­falls nicht geschlagen – im Gegen­satz etwa zu seinen Jahr­gangs­kol­legen Smetana, Bruckner oder Peter Corne­lius. Eher fühlte Reinecke sich dem Erbe Mendels­sohns und Schu­manns bis zurück zu Bach verpflichtet, schätzte Brahms und setzte sich als Inter­pret für Mozarts Klavier­kon­zerte ein. Außerdem wirkte er 35 Jahre lang als Gewand­haus­ka­pell­meister und unter­rich­tete als einfluss­rei­cher Lehrer am Leip­ziger Konser­va­to­rium spätere Größen wie zum Beispiel Bruch, Janáček, Albéniz oder Ethel Smyth.

Genova & Dimitrov geben Einblick in ihre Box mit Werken Carl Reine­ckes.

Auf drei CDs versam­meln Aglika Genova und Liuben Dimitrov sämt­liche Werke Reine­ckes für zwei Klaviere – ein gewiss nicht im strengen Sinn reprä­sen­ta­tiver, sondern auch äußeren Entste­hungs­um­ständen und Markt­fragen in der zweiten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts geschul­deter Quer­schnitt durch mehr als 60 Jahre eines Kompo­nis­ten­le­bens. Unwei­ger­lich tönt dabei manches vor allem gediegen und ein biss­chen ausführ­lich, doch einiges lässt wirk­lich aufhor­chen, darunter die Bach-Varia­tionen op. 24. Vor allem aber die souve­ränen Klavier­be­ar­bei­tungen eigener Orches­ter­werke: etwa die drama­ti­sche Zenobia-Ouver­türe op. 193, der Prologus solemnis op. 223 mit Anklängen an das Thema der Leonoren-Ouver­türen Nr. zwei und drei. Und in Zur Refor­ma­ti­ons­feier op. 191 werden Varia­tionen über den Choral Ein feste Burg über­ra­schend mit dem Halle­luja aus Händels Messias kontra­punk­tisch gekrönt. Dem Genova & Dimitrov Klavierduo gelingt es mit 20 flinken Fingern und dem entspre­chenden Klang­sinn, den Wunsch nach dem origi­nalen Orches­ter­klang beinah vergessen zu machen.

Fotos: Irène Zandel