Goldmund Quartet

Vier Freunde auf dem Weg nach oben

von Stefan Sell

21. Juni 2020

Das Goldmund Quartett feiert sein zehnjähriges Bühnenjubiläum mit dem musikalischen Tagebuch „Travel Diaries“.

Das feiert sein zehn­jäh­riges Bühnen­ju­bi­läum mit dem musi­ka­li­schen Tage­buch „Travel Diaries“.

Das Cover ihres neuen Albums „Travel Diaries“ zeigt vier Freunde im Cabrio vor alpiner Kulisse, die Instru­mente spiel­be­reit – ein Road­movie der zeit­ge­nös­si­schen Quar­tett­musik.

Die Geiger Florian Schötz und Pinchas Adt, der Bratscher Christoph Vandory und der Cellist Raphael Paratore: das Goldmund Quartett
Die Geiger Florian Schötz und Pinchas Adt, der Brat­schist Chris­toph Vandory und der Cellist Raphael Para­tore: das Gold­mund Quar­tett
(Foto oben und Foto: Nikolaj Lund)

Seit zehn Jahren inter­na­tional als Streich­quar­tett konzer­tie­rend und viel­fach preis­ge­krönt, hat das Gold­mund Quar­tett die Offen­heit und Frische, die diese Königs­dis­zi­plin braucht. Leiden­schaft, Humor, Heiter­keit, Präzi­sion, perfektes Inein­an­der­greifen und Ausge­wo­gen­heit sind hör- und spürbar, wenn Florian Schötz, Pinchas Adt, Chris­toph Vandory und Raphael Para­tore mit Verve und voll flim­mernder Energie nuan­cen­reich mitein­ander musi­zieren, virtuos wech­selnd vom zart fein­geis­tigem Aufstrich hin zum furios eksta­ti­schen Abstrich.

Überall Neues entde­cken

„Wir gehen jedes Stück mit frischen Ohren an und fragen uns genau, wie wir das Stück klingen lassen wollen. Es ist für uns unglaub­lich span­nend, unter­schied­liche Stile zu spielen, heißt es doch, wir können überall und immer Neues entde­cken”, darin sind sich die vier jungen Musiker einig.

Raphael Para­tore: „Neugierde ist uns wichtig – einfach zu sagen, lasst uns mal was Verrücktes auspro­bieren.”

Konzertierten in Dänemark, Frankreich, Norwegen, Spanien, Italien, Schweiz, Kanada, China, Australien und den USA: das Goldmund Quartett
Konzer­tierten bereits in , Frank­reich, , , Italien, der , , , und den : das Gold­mund Quar­tett
(Foto: Nikolaj Lund)

Florian Schötz: „Wir denken nicht in Sparten. Es gibt viel gute Musik heute, wir gehen danach, was uns anspricht, authen­tisch ist und eine Gefühls­welt hat, mit der wir etwas anfangen können. Das ist zum Beispiel mit dem Stück Divorce von Fazıl Say so: Da werden Grenzen über­schritten, und man kann sich auf dem Instru­ment richtig austoben.”

Voller Empa­thie

Wie Fazıl Say das Wech­selbad der Gefühle seiner Schei­dung auskom­po­niert hat, fühlt und spielt das Gold­mund Quar­tett voller Empa­thie. Fazıl Say persön­lich gab ihnen wich­tige für ihre Inter­pre­ta­tion. Unlös­bare Konflikte führen zur Schei­dung. Und weil, wenn von einem Streich­quar­tett die Rede ist, schon mal von einer „Ehe zu viert” gespro­chen wird, ergibt sich die Frage von selbst: Wie geht das Münchener Gold­mund Quar­tett mit Strei­tig­keiten um?

Raphael Para­tore: „Das Streich­quar­tett ist ein Mikro­kosmos, der wider­spie­gelt, was in der Gesell­schaft abgeht. Wir gehen oft so ins Detail, dass es von außen lächer­lich wirken mag, dass wir darüber so ausführ­lich streiten können. Jeder hat seine Argu­mente. Eigent­lich könnte man sagen: Ist doch egal! Aber man versteift sich so sehr, dass es genau bei diesen Klei­nig­keiten am meisten Zoff gibt. Die Heraus­for­de­rung ist, dass man dann auch mal von seiner Über­zeu­gung lassen kann, ohne sich unter­legen zu fühlen. Es geht ja doch um etwas Größeres.”

Der Frei­raum der Inter­preten

Mit The Smile of the Flam­boyant Wings schuf die britisch-bulga­ri­sche Kompo­nistin Dobrinka Taba­kova eigens ein Werk für sie.

Preise säumen die Reise: das Goldmund Quartett
Preise säumen die Reise. Ausge­zeichnet mit einem Sonder­preis für die beste Inter­pre­ta­tion eines Streich­quar­tetts des 20. Jahr­hun­derts bei der Wigmore Hall Inter­na­tional String Quartet Compe­ti­tion 2018: das Gold­mund Quar­tett
(Foto: Nikolaj Lund)

Raphael Para­tore: „Das war Mal, dass für uns ein Stück geschrieben wurde und wir Teil des Kompo­si­ti­ons­pro­zesses sein durften. Über Skype hat uns Dobrinka von London aus erste Skizzen gezeigt, die wir ihr dann vorge­spielt haben. Wir dachten okay, in diese Rich­tung wird es gehen, nichts von dem aber kam dann in dem Stück vor. Dann kam sie mit den Noten nach . Wir wollten uns streng an den Noten­text halten, merkten dabei jedoch, dass wir Tempi, Dyna­miken etc. ändern wollten und fragten uns, ob wir das über­haupt dürften? Aber Dobrinka ist eine offene, boden­stän­dige, sehr herz­liche und lustige Person. Also haben wir gesagt, wir spielen das mal so, wie wir uns das vorge­stellt haben und waren gespannt, wie sie reagieren würde. Hatten wir uns einen Fauxpas geleistet? Aber nein, im Gegen­teil! ‚Wartet«, sagte sie, ‚das muss ich mir notieren. So wie ihr es gespielt habt, ist es super. Uns wurde klar, das eine ist die Idee, das andere der Frei­raum der Inter­preten – eine sehr schöne Erfah­rung.”

Hohe Spiel­kunst

Ausgezeichnet von der European Concert Hall Organisation als Rising Stars der Saison 2019/20: das Goldmund Quartett
Ausge­zeichnet von der Euro­pean Concert Hall Orga­ni­sa­tion als Rising Stars der Saison 201920: das Gold­mund Quar­tett
(Foto: Nikolaj Lund)

Für die beste Auffüh­rung von Wolf­gang Rihms Streich­quar­tett Nummer vier gewann das Gold­mund Quar­tett beim Wigmore Hall Inter­na­tional String Quartet Compe­ti­tion in London den begehrten Twen­tieth Century Prize. Das Werk erfor­dert präzise, hohe Spiel­kunst und findet sich nun im Zentrum der „Travel Diaries“.

Träu­me­risch

Inspi­riert von den Erfah­rungen seiner russi­schen Groß­mutter schrieb , Gitar­rist der Rock­band The National und genre­über­grei­fender Kompo­nist zeit­ge­nös­si­scher Musik das Stück Aheym, was im Jiddi­schen „heimwä“ bedeutet. Das Kronos Quartet hatte ihn beauf­tragt, für einen Auftritt bei einem Open-Air-Festival etwas „nicht allzu Subtiles oder Ruhiges” zu schreiben. 2013 spielte das Kronos Quartet unter diesem Titel ein komplettes Dessner-Album ein. Das Gold­mund Quar­tett notiert mit spie­le­ri­scher Freude und gekonntem Biss eine eigene Inter­pre­ta­tion in seine Reise­ta­ge­bü­cher. Zudem hatten die vier beim Festival d’ die Möglich­keit, das träu­me­risch verspielte Commedia dell’ III von Ana Soko­lović gemeinsam mit ihr für dieses Album zu erar­beiten.

Keine Grenzen

Das Goldmund Quartett auf großer Fahrt in die Zukunft
Und wohin geht die Reise als nächstes? Das Gold­mund Quar­tett auf großer Fahrt in die Zukunft
(Foto: Nikolaj Lund)

Raphael Para­tore: „Wir wollten mit ‚Travel Diaries‘ zeigen, wie bunt Streich­quar­tett klingen kann. Zeit­ge­nös­si­sche Musik haben wir immer schon gespielt, je mehr wir jedoch gereist sind, um welt­weit Akade­mien zu besu­chen und Wett­be­werbe zu bestreiten, desto mehr haben wir erfahren, wie unter­schied­lich die Klang­mög­lich­keiten sind. Inzwi­schen wird diese Musik­gat­tung von sehr unter­schied­li­chen Zielen inspi­riert. Bei Fazıl Say ist es der folk­lo­ris­ti­sche, rhyth­mi­sche Ansatz. Dobrinka Taba­kova wiederum geht mehr in die sphä­ri­sche, eher von der Film­musik inspi­rierte Rich­tung. Das Span­nende für uns ist, wie verschieden diese Musik klingt. Heutige Musik für Streich­quar­tett ist viel­schichtig, und wir zeigen, dass es wirk­lich keine Grenzen dafür gibt.”

Fazıl Say, Dobrinka Taba­kova, , Ana Soko­lović und Bryce Dessner: „Travel Diaries“, Gold­mund Quar­tett ()
Zu beziehen u.a. bei: www​.amazon​.de
Und anzu­hören in der NML.

Weitere Infor­ma­tionen zu Auftritten und Tour­neen unter: www​.gold​mund​-quar​tett​.de