Herbert Blomstedt
Auf dem Weg zur Selbstfindung
3. Juli 2022
Das Gewandhausorchester Leipzig unter Herbert Blomstedt erinnert mit seinem Album an den früh verstorbenen Komponisten Jan Václav Vořišek.
Der ein Jahr nach Mozarts Tod in Ostböhmen geborene Jan Václav Vořišek zählt zu jenem tragischen Klub von Komponisten, die schon weit vor ihrem 40. Geburtstag das Zeitliche segnen mussten, als die Karriere erst so richtig durchzustarten begann. Vořišek, seit 1813 in Wien ansässig, war ein Bewunderer Beethovens und mit Franz Schubert befreundet. Die zu seinen Lebzeiten nie aufgeführte Zweite Sinfonie zeigt den jungen Maestro auf dem Weg zur musikalischen Selbstfindung: Die Einflüsse Mozarts, Beethovens und Schuberts sind evident und allgegenwärtig, im virtuosen Spiel der Holzbläser lässt auch Rossini zuweilen dezent grüßen. Die Instrumentierung ist erstaunlich ausgefeilt, die melodische Linie von großer Eleganz und geradezu tänzerischer Beschwingtheit, die melancholischen Untertöne Schuberts sind hier nicht zu vernehmen. Das Scherzo klingt pointiert und doppelbödig, der Finalsatz entfaltet eine treibende, beinahe opernhaft anmutende Dynamik. Das Gewandhausorchester unter der souverän kontrollierten Leitung von Pult-Doyen Herbert Blomstedt spielt präzise, mit gut herausgearbeiteten Kontrasten, dezent abgedunkelten Klangfarben und feiner Detailarbeit. Die vorangestellte, sehr klassisch-gediegene, Interpretation von Mozarts Prager Sinfonie dockt thematisch sinnfällig an Vořišek an und ist laut Booklet vom Orchester und dem Dirigenten als Hommage an Prag und vor allem an Václav Neumann zu verstehen.