Herbert Pixner

Volks­musik 4.0

von Stefan Sell

10. September 2023

Tischler, Senner, Musiker: Der Südtiroler Multi-Instrumentalist Herber Pixner erobert mit seinem Herbert Pixner Projekt auf der steirischen Harmonika die Konzertsäle - ganz ohne derbe Schunkelei.

Ob Herbert Pixner mit seinem Herbert Pixner Projekt auftritt oder zusammen mit den Berli­nern Sympho­ni­kern oder dem Tonkünstler-Orchester – wer dabei sein will, sollte sich schnell Karten besorgen, in der Regel sind die Konzerte ausver­kauft, egal ob in der Isar­phil­har­monie, im Großen Fest­spiel­haus in Salz­burg oder im Großen Saal des Wiener Musik­ver­eins. Womit auch immer das Herbert Pixner Projekt vom Landler über Tango, Jazz, Blues und Latin bis hin zu Rock aufspielt – es ist und bleibt „Pixner-Musik“. Vorschriften, was man spielen darf und was nicht, gibt es nicht. Im Vorder­grund steht die Passion für das Musik­ma­chen gene­rell. Dabei ist Pixner viele Wege gegangen: Er hat eine Lehre als Tischler gemacht, war viele Sommer lang Senner auf der Alm, Musik­lehrer, Rund­funk­mo­de­rator, Barmu­siker. Heute gilt er als einer der wich­tigsten Wegbe­reiter der stei­ri­schen Harmo­nika als Konzert­in­stru­ment.

Herr Pixner, Ihre Musik ist viel­seitig und stil­über­grei­fend, ja man meint, die biogra­fi­schen Bezüge in Ihrer Musik gera­dezu spüren zu können.

Ich habe bereits in jungen Jahren alles Mögliche auspro­biert und versucht, einen eigenen Stil zu finden und auch zu kreieren. Was Musik betrifft, bin ich sehr offen. Ich lege mich nicht in Genres fest und arbeite gerne an verschie­denen Projekten, sei es E- oder U‑Musik, sei es mit zeit­ge­nös­si­schen Kompo­nisten, mit Thea­ter­mu­si­kern und Orches­tern oder Side-Projekten wie der Italo Connec­tion oder der Band Alpen & Glühen zusammen mit Thomas Gansch, Manu Delago, Lukas Kran­zel­binder und dem radio.string.quartett.

Es klingt auch nicht so, als hätte am Anfang die Frage gestanden, wie wir die Volks­musik neu defi­nieren können.

Nein, niemals, das funk­tio­niert nur in den seltensten Fällen. Volks­musik kann man schlecht weiter­ent­wi­ckeln. Geht man mit so einem Hinter­ge­danken daran, dann entsteht daraus meis­tens etwas Aufge­setztes. Wenn man seine eigene Sprache in der Musik gefunden hat, dann ergibt es einen Sinn. Es ist dann keine billige Insze­nie­rung, sondern etwas Authen­ti­sches.

»Wenn man seine eigene Sprache in der Musik gefunden hat, dann ergibt es einen Sinn.«

Ihre Musik entsteht nicht am Schreib­tisch, viel­mehr aus dem, was Sie wirk­lich persön­lich erfahren und empfunden haben. Steckt hinter jedem Stück eine Geschichte?

Es gibt immer eine Inspi­ra­tion, eine Vorge­schichte, entweder über Erleb­nisse aus der Jugend­zeit oder aus Begeg­nungen mit anderen Musi­ke­rinnen und Musi­kern, letzt­lich aus jeder Lebens­si­tua­tion. Jedes neue Album ist der Spiegel dessen, was man gerade erlebt oder gefühlt hat. Keines unserer Alben haben wir gemacht, um dem Publikum zu gefallen. Wir machen seit jeher unser Ding ohne Rück­sicht auf Kompro­misse. (lacht)

Man hat Ihnen den Titel „Jimi Hendrix der Volks­musik“ verliehen. Ehrt Sie das? Denn eigent­lich trifft es nicht den Kern Ihrer Musik, oder?

Mit Jimi Hendrix vergli­chen zu werden, ist frei­lich eine große Ehre. Er hat von den 1960er-Jahren bis heute die gesamte Rockund Pop-Szene geprägt und hat damals etwas komplett Neues geschaffen, das Gitar­ren­spiel revo­lu­tio­niert. Zu der Zeit, als ich begonnen habe, Musik zu machen, galt zum Beispiel die stei­ri­sche Harmo­nika als Schun­ke­l­in­stru­ment für derbe Heimat­abende – undenkbar, sie in einem Konzert­saal zu spielen. Es gab auch keine Lite­ratur abseits der Volks­musik. Somit war es die einzige Möglich­keit, meinen eigenen Ausdruck zu finden und die Grenzen dieses Instru­ments auszu­loten. Daraus hat sich dann ein eigener Stil entwi­ckelt. In dem Sinne fühle ich mich sehr geehrt, wenn man mich mit Hendrix vergleicht.

Das Herbert Pixner Projekt (Werner Unter­ler­cher, Heidi Pixner, Manuel Randi und Herbert Pixner)

Was die Viel­schich­tig­keit Ihrer Instru­men­tal­kom­po­si­tion angeht, fällt einem eher Mike Oldfield ein.

Schon, ich denke da aber eher an das Umfeld, das Hendrix zu seiner Zeit hatte, gegen wie viel Wider­stand er Musik machen musste. Da sehe ich schon einige Paral­lelen zu dem, womit ich vor 30 Jahren zu kämpfen hatte. Bei den Tradi­tio­na­listen war ich der „Volks­mu­sik­ver­schandler“. Damals hat man mir gesagt, du darfst auf der Harmo­nika kein Moll spielen, das ist verboten. (lacht) Musik ist für mich ein Ausdrucks­mittel, mehr als reine Unter­hal­tung. Ganz gleich, ob es eine diato­ni­sche Harmo­nika oder eine Trom­pete, eine Klari­nette oder ein Saxofon ist – man hat jeweils eine bestimmte Sprache oder Klang­farbe zur Verfü­gung. Das ist ja das Schöne an der Instru­men­tal­musik: Man drückt sich über das Instru­ment aus und nicht verbal. Man erzeugt mit Klängen Bilder.

Wenn Sie mit dem Tonkünstler-Orchester spielen oder mit den Berliner Sympho­ni­kern, da ist dann plötz­lich der Hendrix wirk­lich da. (Pixner lacht) Da ist ein großer Kontrast zu spüren. Man könnte an Metal­lica denken. Mit dem Rück­halt Ihrer Band entwi­ckeln Sie eine ganz beson­dere Energie im Zusam­men­spiel mit dem Orchester.

Die Zusam­men­ar­beit mit großem Orchester ist etwas ganz Beson­deres. Das Herbert Pixner Projekt zu viert ist eigent­lich der kleinste Nenner, womit man unsere Stücke spielen kann. Nimmt man zum Beispiel das Stück Alps: Da hat man die Möglich­keit, eine unglaub­liche Dynamik auszu­spielen, vom Pianis­simo des Quar­tetts bis hin zu einem Fortis­simo eines 60-köpfigen Orches­ters. Das erste Album von Metal­lica mit Orchester habe ich geliebt. Der Unter­schied aber ist: Deren Song­struk­turen blieben gleich. Mir war es wichtig, dass unsere Band zu einer Einheit mit dem Orchester wird und das Orchester die Möglich­keit hat, Orchester zu sein. Ansonsten könnte ich auch einfach einen Keyboarder mitnehmen. Die Stücke müssen nicht so bleiben, wie sie ursprüng­lich sind. Es lässt sich ein Intro oder ein Zwischen­spiel dazu­kom­po­nieren, es können Teile dazu­kommen, die in Inter­ak­tion treten. Man kann einen kompletten Orches­ter­teil dazu­kom­po­nieren. Ich habe meine Stücke immer so umkom­po­niert, dass das Orchester auch seinen Sinn bekommt.

»Musik ist für mich ein Ausdrucks­mittel und mehr als reine Unter­hal­tung.«

Apropos Metal­lica: James Hetfield soll nach Vail, Colo­rado, gezogen sein. Sie haben dort auch eine Zeit verbracht?

(lacht) Ich habe in einer Bar auf einem Barho­cker am Tresen Harmo­nika gespielt, das war ein baye­ri­sches Bier­lokal mit einer Brauerei. Ich war jung und brauchte das Geld und habe da drei Monate lang jeden Tag gespielt – das war bezahltes Üben. Nach Feier­abend bin ich dann durch die ganzen Blue­grass-Kneipen im Umfeld gezogen und habe dort mit den Bands gejammt. James Hetfield habe ich leider nicht getroffen, aber Arnold Schwar­zen­egger und Franz Klammer (Anm. d. Red.: Olym­pia­sieger und der wohl erfolg­reichste Skirenn­läufer). Für mich war das damals eine super Zeit in Colo­rado.

Sie haben ein eigenes Plat­ten­label, orga­ni­sieren Ihre Konzerte selbst. Sind Sie ein Perfek­tio­nist?

Was die Bühne betrifft, bin ich Perfek­tio­nist, back­stage aber brauche ich weder eine Fünf-Sterne-Suite noch eine schwarze Limou­sine. Es braucht einfach nur Respekt und Wert­schät­zung von Seiten des Veran­stal­ters für das, was man macht, wenn man ein volles Haus bespielt.

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Mehr Infos und Auftrittstermine unter www.herbert-pixner.com

Fotos: Günther Egger, Stefan Wascher, Sepp Pixner