Ivan Ilić

Farbig­keit und Eloquenz

von Klaus Kalchschmid

24. März 2021

Ivan Ilić lässt mit seinem Projekt „Reicha Rediscovered“ über den Beethoven-Zeitgenossen Antonín Reicha staunen.

Der Prager Antonín (auch Antoine oder Anton) Reicha wurde wie Beet­hoven 1770 geboren, wirkte als Geiger der kurfürst­li­chen Kapelle, dann in und später in Paris. Er kompo­nierte neben einer Kompo­si­ti­ons­lehre mehrere Opern, ein Requiem, Kantaten viel (Bläser-) Kammer­musik und ein an Sonaten, zahl­rei­chen Fugen und riesigen Varia­tions-Zyklen reiches Klavier­werk. Seit 2016 erschließt Henrik Löwen­mark letz­teres in einer bislang auf vier CDs ange­wach­senen Gesamt­auf­nahme. begann 2017 mit Reicha Redis­co­vered und ist bei CD drei ange­kommen.

Ivan Ilić führt in Antonín Reichas L’Art de varier ein.

Nach Antho­lo­gien von Einzel­werken, Sonaten und den gewal­tigen, eine Stunde dauernden Études dans le genere Fugué hat er sich jetzt L’Art de varier ou 57 varia­tions pour le piano op. 57 vorge­nommen. Das ist mit fast 87 Minuten der viel­leicht längste Varia­ti­ons­zy­klus der Musik­ge­schichte, auch von Beet­ho­vens Diabelli-Varia­tionen 1823 dies­be­züg­lich nicht über­troffen. Ihnen setzte Reicha seine wieder 57 Varia­tionen op. 102, veröf­fent­licht 1824, entgegen.

Lyrisch, drama­tisch und verblüf­fend

Kompo­niert 180304, staunt man im 20 Jahre älteren op. 57, wie reich die Viel­falt der Beglei­tungen und Ausge­stal­tungen des Themas und seiner „Verän­de­rung“ ist, mal mehr, mal weniger poly­phon, mal ganz schlicht choral­haft, mal üppig orches­triert (wie die Nr. 21) oder nur mit der linken Hand zu spielen (Nr. 26). Einiges klingt ganz lyrisch, manches ist drama­tisch aufge­laden; einer­seits domi­niert klas­si­sche Harmonik, dann wieder verblüffen fast kühne harmo­ni­sche Verbin­dungen. Immer wieder beleuchtet Reicha das sehr barock eben- und regel­mä­ßige Thema neu und über­rascht den Hörer fast immer. Ivan Ilić wird allen Facetten dieses faszi­nie­renden Werks mit großer pianis­ti­scher Farbig­keit und Eloquenz gerecht.

>

Maher zu Antonín Reicha und Ivan Ilić unter CRESCENDO.DE