Sternstunden

Aus der Fülle der Neuein­spie­lungen

von Christoph Schlüren

7. April 2021

Requiem, Tango, Beethoven-Suche, Auschwitz-Gedenken und Farewell – fulminante Aufnahmen von Sternstunden der Instrumentalmusik

Mit der Corona-Zeit geschul­deten Abständen haben die unter ihrem Chef­di­ri­genten im Juli 2020 Gustav Mahlers Vierte Sinfonie aufge­nommen – eine traum­haft welt­ab­ge­wandte, poeti­sche Darbie­tung, die unter­streicht, welch ein Ausnah­me­mu­siker der junge Tscheche ist (). Auch seine Erst­ein­spie­lung des Klavier­kon­zerts von Vitěz­slav Novák mit dem Pianisten Jan Bartoš zeugt von solch über­ra­gender Klasse, wenn­gleich die Tondich­tung Toman und die Wald­nymphe, ein Haupt­werk des böhmi­schen Strauss-Zeit­ge­nossen, in seiner mitrei­ßenden Drama­turgie hier noch fesselnder ist (Supra­phon).

Mahler IV

„Mahler IV“, Bamberger Sympho­niker, Jakub ůša (Accentus)
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Vitězslav Novák

Vitěz­slav Novák: „Piano Concerto, Toman and the Wood Nymph”, Jan Bartoš, Prague Radio Symphony Orchestra, Jakub Hrůša (Supra­phon)
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1870, im selben Jahr wie Novák, ist der Fran­zose geboren, der in der Nach­folge Debussys bunt schil­lernde, exotisch flir­rende Pracht mit beson­derem Fokus auf die dunklen Orches­ter­farben entfaltet. Das Buffalo Phil­har­monic setzt seinen -Zyklus unter der strin­genten Leitung JoAnn Falettas fort mit Schmitts meis­ter­haft luxu­riöser Tragédie de Salomé und Erst­ein­spie­lungen zweier zauber­hafter Neben­werke. , 1897 in als Paul Fran­ken­berger geboren, avan­cierte nach seiner Emigra­tion 1933 nach Paläs­tina zum großen israe­li­schen Staats­kom­po­nisten. Die sinfo­ni­sche Dich­tung Pan (gesungen von Claudia Barainsky) steht 1931 noch ganz im Zeichen des postro­man­tisch über­stei­gernden Dramas, wogegen er in der Ersten Sinfonie – mit dem berühmten Psalm als Mittel­satz – orien­ta­li­sche Moda­lität mit groß­sin­fo­ni­schem Arsenal verbindet (BBC Phil­har­monic unter , Chandos).

Florent Schmitt

Florent Schmitt: „La Tragédie des Salomé“, Susan Platts, Nikki Chooi. Buffalo Symphonc Orchestra, JoAnn Falletta (Naxos)
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Music of Israel

„Music of Israel. Paul Ben Haim”, Claudia Barainsky, John Brad­bury, BBC Phil­har­monic, Omer Meir Wellber (Chandos)
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Der große US-ameri­ka­ni­sche Kompo­nist Arnold Rosner (1945–2013) war ein Außen­seiter, der Stil­mittel von der Renais­sance bis ins Heute amal­ga­mierte. Sein 70-minü­tiges Requiem von 1973 ist ein panre­li­giöses Mani­fest von gigan­ti­scher Kraft und Origi­na­lität, das Tibe­ti­sches Toten­buch, jüdi­sche Klage, Kirchen­la­tein, Gott­fried Benn, Fran­çois Villon und Walt Whitman welt­um­span­nend vereint (Toccata Clas­sics): ein Meis­ter­werk der stilis­ti­schen Gegen­sätze und abgrün­digen Visionen.

Arnold Rosner

Arnold Rosner: „Requiem, op. 59”, Kelley Hollis, Feargal Mostyn-Williams u.a., London Phil­har­monic Orchestra, Nick Palmer (Toccata Clas­sics)
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Die Geigerin Kathe­rine Hunka hat mit dem Irish Chamber Orchestra recht­zeitig vor Astor Piaz­zollas 100. Geburtstag ein phäno­me­nales Album vorge­legt, in welchem Desyat­ni­kovs kapri­ziöse Fassung der Cuatro Estaciones eine in der idio­ma­ti­schen Beherr­schung der Extreme so fulmi­nante Auffüh­rung erlebt, als sei sie direkt vom Geist des Tango-Nuevo-Maestro entzündet, der mit Schu­bert kombi­niert wird (Orchid Clas­sics).

Katherine Hunka

„Piaz­zolla, Schu­bert, Schnittke”, Kathe­rine Hunka, Irish Chamber Orchestra (Orchid Clas­sics)
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Auch wo ist, ist der Tango nicht weit, so im neuesten Album „Sear­ching for Ludwig“ (Alpha Clas­sics) der Kremerata eine frap­pie­rend gelun­gene Einrich­tung von Léo Ferrés legen­därem Muss es sein? Es muss sein! (mit zuge­spieltem Origi­nal­ge­sang); auf dieses Vorspiel folgen zwei späte Beet­hoven-Quar­tette für Streich­or­chester. In die Leitung dieser auf höchstem instru­men­talen Niveau darge­bo­tenen Aben­teuer der Suche teilen sich Mario Brunello und Kremer selbst. Und bei Accentus ist ein in der spröden Kernig­keit fantas­ti­sches Kremer-Album mit dem Violin­kon­zert und dem Viol­induo (superb mit Madara Peter­sone) – beide von 1959 – von erschienen, wo auch und das Gewand­haus-Orchester in einer echten Stern­stunde zu erleben sind. Wein­berg war Pole, doch die Flucht vor den Nazis führte ihn in die Sowjet­union, wo er von seinem Freund Schost­a­ko­witsch vor Stalin geschützt wurde. In der Lenin­grad-Serie von Nort­hern Flowers sind zwei weitere hoch­in­ter­es­sante Folgen mit Sinfonik und Ballett­musik erschienen, worunter beson­ders das tief­gründig scho­ckie­rende Gogol-Ballett Der Mantel des Schost­a­ko­witsch-Schü­lers German Okunev und die thea­tra­lisch grenz­über­schrei­tenden, gera­dezu toll­kühn Altes und Neues fusio­nie­renden und intel­li­gent Vier­tel­töne inte­grie­renden Sinfo­nien Nummer acht und zehn des 2020 verstor­benen Sergei Slonimski zu nennen sind.

Searching for Ludwig

„Sear­ching for Ludwig”, Mario Brunello, Gidon Kremer, (Alpha)
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Weinberg, Gidon Kremer

Miec­zysław Wein­berg: „Violin Concerto, Sonata for Two Violins”, Gidon Kremer, Madara Peter­sone, , Daniele Gatti (Accentus)
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Leningrad Ballet Music

„Lenin­grad Ballet Music”, Mari­insky Orchestra, Lenin­grad Phil­har­monic Orchestra, Edward Chivzhel, Yuir Gamaley (Nort­hern Flowers)
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Leningrad Symphonies

„Lenin­grad Sympho­nies II. Tsito­vich, Slonimsky”, Lenin­grad Phil­har­monic Orchestra, Arcady Schten­lucht, , Timus Mynbaev, (Nort­hern Flowers)
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Aus der Fülle von Neuein­spie­lungen weib­li­cher Kompo­nisten ragen die „Contem­po­rary Voices“ des exzel­lenten Paci­fica Quartet heraus, insbe­son­dere das program­ma­tisch dem Andenken des 1944 in Ausch­witz ermor­deten Malers Felix Nuss­baum gewid­mete Dritten Streich­quar­tett von Shul­amit Ran und das Quin­tett für Altsa­xofon und Strei­cher von Altmeis­terin Ellen Taaffe Zwilich (Çedille Records). Und für avan­cierte Hörer gibt es zum Schluss das höchst aparte Fami­li­en­album „Rela­ti­onships“ (bei Resonus): die leiden­schaft­lich fesselnde Geigerin Malu Lin musi­ziert mit ihrem eben­bürtig musi­zie­renden Ehemann Giles Swayne am Klavier fein gear­bei­tete Werke von dessen Cousine Nicola LeFanu und deren Mutter Eliza­beth Maconchy sowie Meis­ter­haftes von Swayne selbst, darunter ein innig berüh­rendes Fare­well für einen verschie­denen Freund.

Pacifica Quartet

Pacific Quartet: „Contem­po­rary Voices“ (Çedille)
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Malu Lin

„Rela­ti­onships”, Malu Lin, Giles Sayne (Resonus)
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Fotos: Leningrad Philharmonic Orchestra