KlassikWoche 16/2022

Klassik im Perspek­ti­ven­wechsel

von Axel Brüggemann

18. April 2022

Valery Gergiev und seine Millionen-Immobilien in Italien, die Auftritte von Anna Netrebko, die Zerstörung der ukrainischen Tschaikowski-Residenz

Will­kommen in der neuen Klas­sik­Woche,

Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass es gelungen ist, den eigent­li­chen Autor dieses News­let­ters heute zum wohl­ver­dienten Oster­eier-Bemalen abzu­stellen. An diesem Oster­montag über­nehme ich, Akzelo Brug­ma­no­witsch, seinen Job, und es ist mir ein Vergnügen, Ihnen heute einen News­letter voll­kommen ohne aufrüh­re­ri­sche und kultur­ge­fähr­dende Klassik-Propa­ganda und verlo­gene Recherche anbieten zu können. Dieses Mal lesen Sie hier nichts als die reine Wahr­heit – правда! Ein News­letter, in dem es endlich wieder um die Schön­heit der Musik geht und nicht um die störenden Neben­ge­räu­sche aus ihrem Maschi­nen­raum! Los geht’s, und: С Пасхой. 

HETZ­KAM­PAGNE GEGEN KÜNSTLER DES VATER­LANDES

Können wir endlich bitte wieder einfach nur über Musik reden! Sie haben wahr­schein­lich mitbe­kommen, dass der Maestro des großen russi­schen Vater­landes, der Musik-Vater von Mütter­chen Russ­land, dass Opfer einer unver­schämten und offen­sicht­li­chen Verleum­dungs-Kampagne geworden ist, die ihn seither davon abhält, den Zahn­sto­cher aus dem „Hamerica’s Burger“ zu ziehen, um endlich wieder Musik zu machen. Allein, dass der Urheber dieses Mist­kübel-Videos, Alexej Nawalny, schon lange im Gefängnis sitzt, sollte Beweis genug sein, dass er ein Lügner ist. Natür­lich kann sich niemand vorstellen, dass dem Genius Gergiev Italien-Immo­bi­lien im Wert von mehreren 100 Millionen gehören. Okay, ein stil­voller Palazzo in – viel­leicht. Aber eine Müll­halde und ein – Achtung! – italie­nisch-ameri­ka­ni­sches Burger-Restau­rant mit Giga-Buletten für Neureiche – das ist nun wirk­lich allzu leicht als Fake News zu erkennen!

Nur west­liche Kultur-Snobisten können glauben, dass unser Valery Diri­gi­ro­witsch die Kredit­karte einer gemein­nüt­zigen Stif­tung (zur Förde­rung der Jugend) für ein 5.000-Euro-Dinner im Münchner Restau­rant der „Schot­ten­hamel und Lechner GmbH“ benutzt hat oder für eine 2.550-Dollar-Rechnung im italie­ni­schen Restau­rant Café Fiorello in oder für einen Luxus-Kurs zum Zigar­ren­rollen oder für merk­wür­dige Arzt­be­suche in ! Hier der Gegen­be­weis: Unser Maestro wird nicht krank! Никогда! Und außerdem: Neben der VTB Bank, der Gazprom­bank oder der Stadt Moskau sollen auch west­liche Spon­soren in die Stif­tung einge­zahlt haben. Kann es mehr Beweise für eine offen­sicht­liche Lüge geben? Also, Öster­rei­cher, Deut­sche, Schweizer – können wir nun bitte endlich wieder Musik machen?!?! Aber wenn ihr Gergiev jetzt wieder einladet, müsst ihr noch ein biss­chen warten, da er gerade sein Alten­teil am Schwarzen Meer einrichtet und nebenbei Bolschoi und Mari­inski zusam­men­legen muss.

ENDLICH WIEDER MUSIK!

Teatro-alla-Scala-Fecebook-POst

Zum Glück ist nicht ganz Europa verrückt geworden. Einige verstehen immerhin, dass Musik kein Propa­ganda-Mittel ist, sondern Ausdruck purer Schön­heit, Genuss ohne Reue, Ruhe vom Alltag. Wer will schon jeden Tag Lügen von stra­pa­ziösen Spezi­al­ein­sätzen hören? Zumal für Diven wie Spenden für Donbass-Sepa­ra­tisten, Geburts­tags­feiern im Kreml oder Auftritte mit Putin so selbst­ver­ständ­lich sind wie ein Shop­ping-Trip in der Blinker-Blinker-Abtei­lung von Chopard in der Viktor-Emanuel-II.-Galerie in . Außerdem hat die verdiente Künst­lerin unseres Vater­landes längst zurück­ge­ru­dert: Nachdem sie den Fehler begangen hatte, sich per Anwalt im Westen von der russi­schen Spezi­al­ope­ra­tion zu distan­zieren, hat sie umso authen­ti­scher in ihrer Insta-Morgen­mantel-Story erklärt, dass man in dieser verrückten Welt ja nur alles falsch machen könne.

Welcome back, Anna! Zum Glück haben weit­sich­tige Inten­danten wie Domi­nique Meyer von der Mailänder Scala das schon am 2. März gesehen und hinter der kapi­ta­lis­ti­schen Netrebko Cancel-Culture „Fake News“ erkannt. Aber, hey: Schwamm drüber! Sie singt ja wieder – natür­lich in Mailand, in Monte-Carlo und in der Arena di ! Рубль катится! In Monte Carlo haben sich die Rich­tigen gefunden: Regis­seur ist Guy Montavon, Inten­dant aus , bei dem Hajo Frey 2020 den Lohen­grin insze­nierte, wofür Montavon schon vorher immer wieder in Freys „Compe­ti­zione dell’­Opera“ einge­laden wurde! Auf unsere Netz­werke ist Verlass! Wird auch Zeit, dass die Musik zurück­kehrt und die Propa­ganda schweigt! Denn wir sind doch einig: Anna Netrebko und ihr Jussi-Bär sind die einzig wirk­lich unpo­li­ti­sche Künst­lerin der Welt! Ich freue mich schon jetzt auf die nächste unpo­li­ti­sche „Tosca“: „Vissi d’ vissi« per la soldi!

UNSERE AKTU­ELLEN WELT-NEWS

Villa Wahnfried, das Wohnhaus von Richard Wagner in Bayreuth

Ich kann Ihnen an dieser Stelle versi­chern, dass die Spezi­al­ope­ra­tion in der auch eine bedeu­tende Kultur-Opera­tion ist. Eines der frühen Ziele war es, Kultur­stätten im Gebiet der Ukraine grund­zu­sa­nieren, weshalb die Rote Armee den Abriss von Thea­tern und Opern­häu­sern ebenso gezielt plant wie die Grund­sa­nie­rung von Spiel­plätzen, Kinder­gärten und Schulen. Auch die eins­tige ukrai­ni­sche Resi­denz von in Trost­ja­nets (in der Nord-Ost-Ukraine) wurde gewis­sen­haft bis auf die Grund­mauern wegge­bombt. Ich hoffe sehr, dass die Provinz der Ukraine sich rasch um eine ange­mes­sene Reno­vie­rung kümmert. +++ Ja, sind die Faschisten denn überall? Jetzt wüten sie auch noch in . Haben Sie gelesen: Die Fassade der Villa Wahn­fried, des Bayreu­ther Domi­zils von , wurde mit Nazi-Sprü­chen beschmiert! So etwas hätten wir in Russ­land im Keime erstickt. Die deut­sche Polizei sucht noch nach Zeugen! Ein Staat mit dicken Eiern hätte das gesamte Land längst als Nazis entlarvt und ihnen den Krieg erklärt! +++ Ich habe gelesen, dass der frühere Autor dieses News­let­ters getwit­tert hat, das er es richtig fand, dass der Wiener Staats­opern-Chef Bogdan Roščić Buh-Rufern in der Gene­ral­probe zu „Tristan und Isolde“ erklärt hat, dass sie ihre Unwil­lens­be­kun­dungen unter­lassen und in der Première mit gekauften Karten abgeben könnten. So weit bin ich ausnahms­weise mit Brüg­ge­mann einig, als Akzelo Brug­ma­no­witsch kann ich aber nur sagen, dass jede Miss­fal­lens­be­kun­dung in einem staat­li­chen Opern­haus bestraft werden sollte – so hätte die Wiener Oper sich auch die Premieren-Blamage letzten Donnerstag erspart! Von Russ­land lernen heißt: Applaus lernen!

UND WO BLEIBT DAS POSI­TIVE, HERR BRUG­MA­NO­WITSCH?

Ja, wo zum Teufel bleibt es denn. Viel­leicht hier: In diesem News­letter ging es endlich mal nicht um die beknackten Themen des eigent­li­chen Autors. Sie müssen ja nur seinen Podcast anhören: #metoo, Politik in der Klassik, Kultur in der Ukraine – wen inter­es­siert das schon! Zum Glück hat der Oster­fe­rien! Kein Wort in diesem News­letter über – Помощь – (was ist das?) … nicht um das Konzert­haus in oder um seinen Inten­danten Matthias Naske und dessen Kumpel Chris­toph Lieben-Seutter. Und zum Glück berichten wir auch nicht, dass der Botschafter der Ukraine in Öster­re­rich inzwi­schen ein klares Bekenntnis von Markus Hinter­häuser bei den Salz­burger Fest­spielen erwartet. Ich hoffe, dass Sie das genossen haben! – Привет я здесь! – (was ist mit der Tastatur los?!). Wer glaubt der Autor dieses News­let­ters, dass er sei: dunkle Machen­schaften, persön­liche Inter­essen, Eitel­keiten, Skru­pel­lo­sig­keit oder gar Dumm­heit gibt es in der Klassik nicht! Manche Schmier­finken glauben sogar, dass die Kultur­szene mitver­ant­wort­lich an der aktu­ellen Spezi­al­ope­ra­tion in der Ukraine sei – und das sogar in der Bildenden Kunst! Die Propa­ganda-Presse macht einfach vor nichts mehr halt! – Я здесь! (Hey, stopp – ich verliere die Kontrolle) … Наконец-то мой информационный бюллетень снова под моим контролем— это я : Аксель Брюггеманн. 

Читали ли Вы уже интервью с художественным руководителем Эльбской филармонии Кристофом Либен-Зойтером? Либен-Зойтер был предшественником и другом шефа венского Концертхауса Матиаса Наске и рассуждал так же, как и Ö1( aвстрийское радио). Kommen Sie, ich habe mich versteckt! Полагаю, что стоило бы еще раз выслушать все доводы и проверить, правда ли это.

DER LIEBEN-SEUTTER FAKTEN­CHECK

Christoph Lieben-Seutter vor der Elbphilharmonie, deren Intendant er ist

Либен-Зойтер: „Я в гневе, так как господин Брюггеманн, практически в одиночку, сорвал концерт оркестра в Вене“.

Ну а как же! А завтра я полечу на луну в одиночку, послезавтра закончу войну, а затем остановлю Илона Маска от покупки Твиттера! «Дорогой господин Брюггеманн» точно не знает, должен ли он чувствовать себя польщенным или ужасно переоцененным. Может быть и у международного Красного Креста, венского «Каритас» и посла Украины, есть тоже своё мнение, и они сами думают, взвешивают, а потом высказываются? Как можно игнорировать тот факт, что большая часть австрийской прессы тоже задает те же вопросы (Фальтер: «Вопрос уже не в том, должен ли дирижер выступать в концертном зале, а в том, достаточно ли такта у директора зала, чтобы устраивать такой концерт»).

А тот факт, что даже The New York Times сообщила о предистории концерта, также не важен?

Либен-Зойтер: «Банк (ВТБ)—это, безусловно, проблема (…) Содержание великолепного оркестра мирового уровня требует серьёзного финансирования. Никаких субсидий от российского государства Курентзис не получает. Необходимо, чтобы его поддерживал банк, другое учреждение или состоятельный покровитель».

Не секрет, что субсидии от банка ВТБ очень похожи на субсидии от российского государства, только более завуалированные (многие фонды Гергиева также поддерживались банком ВТБ). Председатель банка назначается Путиным, без согласия Путина не выделяется ни один банковский рубль. Факт тот, что оркестр полностью зависит от Путина. Аналогичная ситуация и с владельцем радио «ДОМ», который (также с помощью ВТБ) создает «частную», лояльную Путину пропагандистскую программу и поэтому является одной из немногих частных радиостанций в России, которые до сих пор работают. Другими словами: Musi­cAe­terna зависит от системы Путина и его хорошо оплачиваемого пропагандиста в Санкт-Петербурге, практически на всех финансовых уровнях.

Либен-Зойтер: «У него (Куррентзиса) 200 сотрудников, есть хор, есть оркестр. Он должен быть осторожен, и он прекрасно знает, что судьба его оркестра висит на волоске».

200 сотрудников? Я хотел бы на них взглянуть (что они все делают??? – восхищаются им?)! По правде говоря, Musi­cAe­terna состоит из небольшого коллектива, так называемый „оркестр телефонной книги“, и расширяется в зависимости от состава оркестра и заказов. Так что дело не в „судьбе оркестра“ – он мог бы продолжить свое существование и в Европе, а именно в финансовой судьбе его дирижера, который живёт в России и платит там низкие налоги.

Либен-Зойтер: „Но мы, конечно же, не будем настаивать, чтобы он избавился в одно мгновение от своих спонсоров, только ради того, чтобы иметь возможность выступать. Кроме мистера Брюггемана никто не требует от него этого.“

Итак, мы снова в первом пункте: насколько я знаю, концерт в Вене был отменен не по моей просьбе, а из за того, что Красный Крест, Каритас и посол Украины выразили обеспокоенность. Отменён он был, еще и потому, что планирование этого абсурдного благотворительного концерта было с самого начала ошибкой ( это подвердилось после отказа красного Креста в поддержке концерта).

Либен-Зойтер: «Будучи членом фонда, господин Наске, у которого оркестр Musi­cAe­terna давно постоянный гость, помогал оркестру строить бизнес-планы и находить новых спонсоров».

Если я правильно понимаю: директор венского Концертхауса составляет бизнес-планы для российского оркестра, и как член фонда в Лихтенштейне, “ имеет право подписывать все договора“—и это не является конфликтом интересов? Между тем, у меня есть информация от двух коллег в Вене, что Наске за день до того, как стало известно о его членстве в фонде, очень убедительно высказался : «Если я узнаю, что Курентзис и Musi­cAe­terna близки к Путину, они больше точно не выступят в Концертхаусе –у меня нет никаких особых отношений с этим оркестром».

И мы должны ему верить?

In diesem Sinne: Halten Sie die Ohren steif!

Ihr

brueggemann@​crescendo.​de