Krystian Zimerman

Getra­gener Schön­klang

von Jens Laurson

16. September 2021

Absolute Musik! Krystian Zimerman hat mit dem London Symphony Orchestra unter Sir Simon Rattle Beethovens Klavierkonzerte eingespielt.

Nach 31 Jahren spielte Krys­tian Zimerman wieder die Beethoven’schen Klavier­kon­zerte ein. „Früher hatte ich immer das Gefühl, Beet­hoven sei ein alter Mann. Heute aber bin ich sieben Jahre älter, als er jemals war… und [sehe] ihn als einen jüngeren Kollegen.“ Zimer­mans Worte verspre­chen eine frische Inter­pre­ta­tion – weg vom ernsten Beet­hoven, hin zu einem freieren, muti­geren, auch schnel­leren. Auf dem Papier trifft das zumin­dest für den ersten Satz des nomi­nell Ersten Konzertes zu, bei dem Zimerman mit dem unter Simon Rattle gegen­über seiner Aufnahme mit den Wiener Phil­har­mo­ni­kern fünf Minuten abzwickt. Fünf Minuten „schneller“ aller­dings ist er nicht; die Tempi sind nur marginal erhöht; die Zeit­dis­kre­panz erklärt sich aus der frühen, kurzen Beethoven’schen Kadenz, die Zimerman passend wählt, anstatt der meist gespielten, späteren schwer­ge­wich­tigen Brava­do­ka­denz.

Ansonsten ist Zimer­mans Zyklus über­ra­schend frei von Über­ra­schungen. Anleh­nungen an die histo­ri­sche Auffüh­rungs­praxis sind, trotz je nach Konzert ange­passter Mechanik in seinem Flügel, nur zu erahnen: in dem glöck­chen­glei­chen Anschlag und zum Teil glasig-trans­pa­rent Klang in den beiden frühen Konzerten zum Beispiel. Das Andante con moto des Vierten Konzerts ist auch hier bari­tonal-sonor von tradi­tio­nell getra­genem Schön­klang geprägt – nur eben nicht „con moto“. Nicht die Furien des Hades fechten hier mit Orpheus: Der vermeint­lich von dieser Sage inspi­rierte lang­same Satz wird zur abso­luten Musik. Simon Rattle, in seinem dritten solchen Zyklus – nach Brendel und Uchida – begleitet routi­niert und frisch; gerade die Holz­bläser klingen lebhaft und gegen die zum Teil grellen Geigen schön hörbar ausba­lan­ciert.