Lars Vogt
Grandios stilsicher
von Stefan Sell
27. Mai 2020
Lars Vogt widmet sich dem Ersten Klavierkonzert und den Händel-Variationen von Johannes Brahms.
Nach dem Klavierkonzert Nr. 1 präsentiert Lars Vogt hier Nr. 2, Brahms« Opus 83. Noch einmal spielt er mit „seinem” Kammerorchester, der Royal Northern Sinfonia, deren künstlerische Leitung er nach fünf erfolgreichen Jahren am Ende der Saison 2019⁄20 abgibt. Hieraus ist eine wunderbare Harmonie erwachsen, ein wechselseitig inspiriertes Zusammenspiel, das sich in jeder Nuance nachfühlen lässt. Lars Vogt scheint kein Anspruch zu hoch, doch sein Spiel wirkt nie beansprucht, klingt immer unangestrengt und spielfreudig. Man spürt, dass er es ist, der entscheidet, was er spielen möchte. Es geht ihm um Essenzen. Hervorzuheben ist noch die wundervolle Cellostimme von Steffan Morris zu Beginn des Dritten Satzes, bei dem Brahms wie so oft auf bereits Verwendetes zugegriffen hat, auf die Melodie seines Liedes „Immer leiser wird mein Schlummer”.
Acht Takte sind die Bausteine für Brahms« Variationen und Fuge über ein Thema von Händel op. 24. Händel selbst variierte seine Aria fünfmal. Brahms multiplizierte das Ganze mal fünf und schuf zum Abschluss eine Fuge. „Besonders lieb” waren ihm diese Variationen. Ist die vierte Variation ein Verdichtung, breitet die Nr. 16 ihre Arme aus, ist die sechste wie ein Kanon, erinnert die 22. an eine Spieluhr. Mit Verweis auf Milan Kunderas Buch vom Lachen und Vergessen erklärt Lars Vogt im Booklet seine Vorstellung von Variation: „Man hat ein Thema, das so viele Facetten hat, so viele Möglichkeiten – wie ein Leben unterschiedliche Möglichkeiten hat zu verlaufen.” Diese unterschiedlichen Möglichkeiten macht Vogt hörbar, grandios stilsicher gespielt werden sie unter seinen Händen zur Offenbarung.
Der Pianist und Dirigent Lars Vogt im CRESCENDO-Gespräch auf crescendo.de