Marc Minkowski
Große Messe, kleine Besetzung
13. August 2020
Marc Minkowski legt mit Les Musiciens du Louvre eine Neuaufnahme von Mozarts unvollendet gebliebener c-Moll-Messe in bewusst klein gehaltener Besetzung vor.
Die c‑Moll-Messe ist neben dem Requiem das größte und wichtigste Fragment in Mozarts Schaffen. Doch während im Falle der Totenmesse die lange Zeit legendenhaft verdunkelten Entstehungsumstände längst durchleuchtet werden konnten, wissen wir bis heute nicht zweifelsfrei, warum Mozart in seiner Wiener Zeit nochmals eine Messe für Salzburg in Angriff nahm (vermutlich eine Votivgabe für die Genesung Constanzes) – und dann trotzdem unvollendet liegen ließ. Da nicht einmal die komponierten Teile vollständig und in Originalgestalt überliefert sind, ist der Torso bis heute Forschungsgegenstand und hat zahlreiche Komplettierungen und Rekonstruktionen provoziert.
Hin zu einer feinen, kleinen Darstellung
In dieser Neuaufnahme mit Les Musiciens du Louvre wendet Marc Minkowski einen Gedanken auf Mozart an, der aus der authentischen Bach-Interpretation kommt (und auch dort nicht unumstritten ist): Sein Chor umfasst nur neun Stimmen (drei Soprane, sonst zwei Sänger pro Stimmlage). Da heißt es umdenken, weg von der „Great Mass“, wie das Stück im englischen Sprachraum genannt wird, hin zu einer gewiss feinen, aber doch gleichsam kleinen Darstellung. An den intimen Stellen bringt das Vorteile, geht an den monumental-expressiven, auf dramatische Wirkung hin angelegten Doppelchorpassagen (Qui tollis) jedoch auch mit einem etwas forcierten Klang einher.
Saft und Kraft im Ton
Was den Notentext betrifft, lässt Minkowski neuere Vorschläge links liegen und greift zurück auf Helmut Eders vergleichsweise zurückhaltende Edition der Neuen Mozartausgabe aus den 1980er-Jahren – vermutlich, weil sie seiner Deutung entgegenkommt. Die dominierenden Sopranistinnen Ana Maria Labin und Ambrosine Bré lassen freilich keineswegs vibratolose, dünne Barockstimmen hören, sondern haben neben Saft und Kraft auch individuellen Charakter im Ton.