Thomas Schmauser als Mephisto

Mephisto an den Münchner Kammerspielen 2025

Ohne Rück­sicht auf Verluste

von Antoinette Schmelter-Kaiser

5. März 2025

An den Münchner Kammerspielen inszeniert Jette Steckel Klaus Manns „Roman einer Karriere“. Ihr „Mephisto“ demaskiert einen erfolgsgetriebenen Egoisten und sein Umfeld, das zwischen Aufbegehren und Anpassung laviert.

Mephisto kennt man einer­seits als diabo­li­schen Gegen­spieler zu Goethes Faust. Ande­rer­seits ist er die Haupt­figur in Klaus Manns gleich­na­migem Roman, der 1936 erschien. Dieser kreist um den Schau­spieler Hendrik Höfgen, der zugunsten seines beruf­li­chen Erfolgs mit den Natio­nal­so­zia­listen paktiert und dabei alle mora­li­schen und poli­ti­schen Bedenken über Bord wirft. Vorbild für Manns „Roman einer Karriere“ war Gustav Gründ­gens, der in der Rolle des Mephisto zum Publi­kums-Lieb­ling avan­cierte und von Herr­mann Göring zunächst zum Inten­danten des Berliner Schau­spiel­hauses und später zum Gene­ral­inten­danten der Preu­ßi­schen Staats­theater gemacht wurde.
An den Münchner Kammer­spielen insze­niert Jette Steckel „Mephisto“ als Thea­ter­probe, also Stück im Stück. Vor, während und nach ihr demas­kiert sie Höfgen als Erfolgs­ge­trie­benen, der ohne Rück­sicht auf Verluste ins Rampen­licht will. Thomas Schmauser verkör­pert ihn konge­nial in all seiner Zerris­sen­heit und Wider­sprüch­lich­keit– einer­seits unsi­cher und zwei­felnd, ande­rer­seits geltungs­be­dürftig und nur an seinem Eigen­nutz inter­es­siert. Drei­ein­halb Stunden gibt Thomas Schmauser bis zum begeis­terten Schluss­ap­plaus physisch und psychisch alles. Dabei beherrscht er sowohl die Klaviatur der leisen als auch der lauten Töne, über­zeugt mit Ernst­haf­tig­keit genauso wie mit komö­di­an­ti­schen Momenten. Denn bei aller Schwere des Themas baut Jette Steckel auch parodis­tisch-über­zeich­nende Elemente ein, die Lacher provo­zieren. Zum Beispiel Höfgens Unter­hal­tung mit Lotte Linden­thal, die als Schau­spie­lerin ebenso unta­len­tiert wie blau­äugig ist. Oder Höfgens Nach­hil­fe­stunde für Hitler, der sich sprach­lich noch in seine Rolle als Demagoge einfinden und seinen Schnauzer an der rechten Stelle plat­zieren muss. Erwin Alkucić, der aufgrund seiner Glas­kno­chen­krank­heit im Roll­stuhl oder gestützt auf Krücken auftritt, spielt nicht nur Hitler, sondern drei weitere starke Rollen. Edmund Telgen­kämper über­zeugt ebenso wand­lungs­fähig als Inten­dant Kroge, Professor und Minis­ter­prä­si­dent, Elias Krischke als erst glühender und dann enttäuschter Nazi-Anhänger Hans Miklas sowie Live-Percus­sio­nist.
Mit Thomas Schmauser an vorderster Front gelingt Jette Steckel ein packender Thea­ter­abend, der durch Anspie­lungen an die aktu­ellen Erfolge von Trump oder der AfD wieder­holt die Brücke ins Hier und Heute schlägt. Seine zentrale Frage, wie sich der Einzelne in der ihn umge­benden poli­ti­schen Realität verhalt, wird nicht nur auf der Bühne verhan­delt. Man nimmt sie auch nach Hause mit.

>

Weitere Aufführungen am 6./9./11./18./27./30.3., 3./4./11./12./28.5., 25.6., 21.7; Infos unter https://www.muenchner-kammerspiele.de/de/programm/32919-mephisto?activity=38841

Fotos: Armin Smailovic