Mozarteum Salzburg

Als Mozart „völkisch“ war

von Walter Weidringer

8. Mai 2022

Die Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg legt eine erste Auseinandersetzung mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit vor.

Er sei zu seinem „Bedauern … nicht in der Lage …, die Ehrung anzu­nehmen“, schrieb 1949 aus den USA nach Salz­burg, nachdem ihm die Inter­na­tio­nale Stif­tung Mozar­teum (ISM) ihre Goldene Mozart-Medaille ange­tragen hatte. Denn, so der deutsch-ameri­ka­ni­sche Musik­wis­sen­schaftler weiter, die „Ereig­nisse“ zwischen 1938 und 1945 „könnten sich wieder­holen, und ich möchte Ihnen die Verle­gen­heit ersparen, in einer näheren oder ferneren Zukunft Ihre Gene­ro­sität bereuen zu müssen“: eine schal­lende Ohrfeige für eine ehrwür­dige und verdienst­volle, im Dritten Reich jedoch auch inkri­mi­nierte Insti­tu­tion, die 1841 ihre Mozart­pflege begonnen hatte. Einstein hatte vor den Nazis fliehen müssen; für ihn war die ISM keines­wegs mit ange­hal­tener Luft unter dem NS-Sumpf durch­ge­taucht und hinterher rein­ge­wa­schen daraus empor­ge­stiegen. Und er hatte recht.

Wie stark, auf welch viel­fäl­tige Weise und auch über welche unse­ligen persön­li­chen Konti­nui­täten die Stif­tung – zu gegen­sei­tigem Vorteil – ins Räder­werk der NS-Kultur­po­litik eige­bunden war, das hat im Auftrag der Stif­tung selbst ein wissen­schaft­li­ches Team rund um die Histo­riker und nun erst­mals in dieser Gründ­lich­keit unter­sucht. Keines­wegs als „Schluss­strich“, sondern als großer Schritt vorwärts im verant­wort­li­chen, bewussten Umgang mit der Geschichte der eigenen Insti­tu­tion, wie der aktu­elle Präsi­dent im Vorwort betont. Wer waren die Akteure und ihr Hinter­grund, wie wurde die Stif­tung über eine neue Satzung „gleich­ge­schaltet“, warum ist das von höchster Stelle anvi­sierte Pres­ti­ge­pro­jekt einer Gesamt­aus­gabe kläg­lich geschei­tert, wie wurden Mozart und die Mozart­for­schung (weiter) ideo­lo­gi­siert usw. Die gefun­denen Antworten sind nicht nur von rein histo­ri­schem Stand­punkt aus enorm span­nend zu lesen, sondern taugen auch als beden­kens­werte Beiträge zu aktu­ellen Diskus­sionen über das Verhältnis von Kunst und Wissen­schaft zur Politik.