v.l.n.r. Dshamilja Kaiser (Venus), Domen Križaj (Wolfram von Eschenbach), Marco Jentzsch (Tannhäuser) und Henri Klein (Ein junger Student) in "Tannhäuser", Oper Frankfurt 2024

News | 29.04.2024

Bravo­chöre für Frank­furts neuen „Tann­häuser“

von Redaktion Nachrichten

29. April 2024

Stehende Ovationen und laut­starker Jubel für alle Betei­ligten been­deten am Sonn­tag­abend eine außer­ge­wöhn­liche „Tannhäuser“-Première an der Oper Frank­furt. Obwohl er eine Menge Pseu­do­bio­gra­phi­sches hinzu­er­findet und dabei zeit­lich komplexe Ebenen einzieht, gelingt es dem südafri­ka­ni­schen Regis­seur Matthew Wild, sein Frank­furt-Debüt in einen Triumph zu verwan­deln.

"Tannhäuser"

„Tann­häuser“

Aus Tann­häuser macht er einen deut­schen Schrift­steller im Stile Klaus Manns, der vor den Nazis in die USA flüchten muss. Dort schreibt er einen berühmten Roman und gewinnt den Pulitzer-Preis. Durch Venus, Alkohol und Drogen enthemmt, bekennt er sich zu seiner Homo­se­xua­lität und schockt damit die Wart­burg­ge­sell­schaft, die Wild kurzer­hand in die erzka­tho­li­sche Maris Stella Univer­sity in Kali­for­nien umfunk­tio­niert. Elisa­beth als sein größter Fan sucht nach Tann­häu­sers Tod Notizen seines neuen Romans und schreibt anschlie­ßend ein eigenes Werk zu seinem Gedenken.

Was verkopft klingt, funk­tio­niert auf der Bühne dank Wilds über­zeu­gender Perso­nen­regie hervor­ra­gend. Allein die Über­fülle der szeni­schen Einfälle, beson­ders während der Ouver­türe, lenkt zu stark vom bril­lanten Dirigat des Frank­furter Gene­ral­mu­sik­di­rek­tors Thomas Guggeis ab. Konzen­triert und farben­reich von Beginn an, türmt Guggeis die orgi­as­ti­schen Klang­massen im turbu­lenten zweiten Akt zu schwin­del­erre­gender Inten­sität, um im Finale mit lyri­scher Raffi­nesse und zarter Magie zu betören.

Sängerin des Abends ist Rollen­de­bü­tantin Chris­tina Nilsson als warm strah­lende Elisa­beth, der Marco Jentzsch in der schwie­rigen Titel­partie trotz seiner packend vorge­tra­genen Romer­zäh­lung nicht auf Augen­höhe begegnen kann. Zu Recht gefeiert wird auch die umwer­fende stimm­liche und sänge­ri­sche Präsenz der Ensem­ble­mit­glieder Andreas Bauer Kanabas als Land­graf von Thüringen und Domen Krizaj als Wolfram von Eschen­bach. Einhel­li­gern Jubel ernten auch die raffi­nierte Bühne Herbert Barz-Murauers und die von Raphaela Rose entwor­fenen, origi­nal­ge­treuen US-Kleider der verklemmten McCarthy-Ära.

Mit erkenn­barer Wehmut beklatscht Frank­furt den schei­denden Chor­di­rektor Tilman Michael, der ab Herbst an die New Yorker Metro­po­litan Opera berufen ist und würdigt seine heraus­ra­gende Dispo­si­tion von Chor und Extra­chor.

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Fotos: Barbara Aumüller