Oliver Buslau

Gehör­leiden, Liebes­ge­schichte und Atten­tats­pläne

von Philipp Hontschik

7. März 2020

Unter dem Titel „Feuer im Elysium“ hat Oliver Buslau einen Kriminalroman zum Beethoven-Jubiläum vorgelegt.

Wenn ein Verlag den „Krimi zum Beet­hoven-Jahr 2020“ in den Massen­start zum Jubel­jahr um Deutsch­lands bekann­testen Bonner schickt, ist erst mal Vorsicht geboten: Ein histo­ri­scher Krimi um Beet­hoven? Feuer im Elysium? Und wer ist Oliver Buslau? Buslau hat nicht nur Musik, sondern auch Germa­nistik studiert, ist Brat­schist von einigem Können und arbei­tete lange als Musik­jour­na­list, bevor er Ende der 1990er-Jahre anfing, Krimis zu schreiben.

Von den entge­gen­ge­setzten Enden des gesell­schaft­li­chen Spek­trums

Und „Feuer im Elysium“ ist, um´s vorweg­zu­nehmen, ein enorm kluges Buch. An Hand­lungs­ho­ri­zont herrscht kein Mangel: Da werden zwei Männer, Reiser und Kreutz, von den entge­gen­ge­setzten Enden des gesell­schaft­li­chen Spek­trums, aufein­ander zuge­führt: Reiser hat gerade (unter so drama­ti­schen wie verdäch­tigen Umständen) seinen Posten bei einem Fürsten verloren und begibt sich nach Wien, um besten­falls in der kaiser­li­chen Staats­ver­wal­tung Anstel­lung zu finden. Kreutz dagegen ist Student, und ihn bewegen poli­ti­sche Ziele. Und zwar eben jene, die des Kaisers hoch­wohl­ge­bo­renem Kanzler Clemens von Metter­nich ganz und gar nicht passen.

Kreutz steht also – und das ist hier plaka­tiver ausge­drückt, als es im Roman geschil­dert wird – für die natio­nale Eini­gungs­be­we­gung der dama­ligen Zeit: Studenten- und Frei­heits­bünde wollten die vielen Fürs­ten­tümer abschaffen, um aus den deut­schen Ländern eine Nation mit Volks­ver­tre­tung zu machen. Sein „Wider­part“ Reiser stammt zumin­dest aus der langsam zerbrö­selnden Welt dieser Fürs­ten­tümer: Er ist Schloss­ver­walter, wie es sein Vater war. Er erkennt jedoch im Lauf des Romans mehr und mehr Unge­rech­tig­keit in der feudalen Ordnung.

Wiener-Walzer-Kongress

Aller­dings ist die „alte Ordnung“ 1824 noch bezie­hungs­weise wieder in voller Blüte: Die Fran­zö­si­sche Revo­lu­tion ist vorbei, selbst in Frank­reich sind die Bour­bonen wieder in Amt und Würden. Auf dem Wiener Kongress 181415 hatte Metter­nich, der deut­sche Meis­ter­di­plomat in Habs­burgs Diensten, den Status quo ante schon befes­tigt: alles auf adligen Anfang, gewis­ser­maßen. Als dann – mitten im Wiener Walzer-Kongress – Napo­leon von Elba aus noch mal in Frank­reich landete, hielt das zwar Europa die berühmten „Hundert Tage“ lang in Atem. Aber nach der Schlacht von Waterloo atmeten die Adels­häuser endgültig auf. Eifrig achteten Spitzel und Zensoren – zu Tausenden – seither darauf, dass auch nicht der kleinste Frei­heits­funken zündete. Die „anciens régimes“ in Europa beäugten jeden Zweiten miss­trau­isch.

So gilt Beet­hoven, der zur Hand­lungs­zeit gerade die Urauf­füh­rung seiner Neunten probt, den Behörden als mögli­cher­weise verdächtig. Hieß die Eroica nicht einst Heroica und sollte Napo­leon huldigen, dem Exegeten der Revo­lu­ti­ons­ideale? Außerdem soll der ertaubte Star des Wiener Musik­le­bens eine Ode von vertonen, ausge­rechnet Schiller, der zumin­dest vorüber­ge­hend als Frei­heits­held taugte. (Was Schil­lers Glocke der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion an Absage erteilte, haben Metter­nichs Kontroll­freaks offenbar nicht mitge­schnitten.) Sebas­tian Reiser, der Bewerber um ein Amt in der Staats­ver­wal­tung, wird konse­quen­ter­weise erst mal mit Schnüff­ler­diensten betraut. Darauf geht dieser auch ein. Denn ein regel­mä­ßiges Einkommen würde ihm erlauben, seine Liebste zu heiraten …

Glaub­haftes Lokal­ko­lorit

Buslau gelingt mit Feuer im Elysium etwas, was selten ist in histo­ri­schen Romanen: glaub­haftes Lokal­ko­lorit. Dass immer am Rande des Gesche­hens der damals eben ganz und gar nicht arri­vierte auftaucht; dass Reiser sogar Eingang findet in Beet­ho­vens Orchester; die ständig mit allerlei Kassi­bern und Billetts hin- und herge­schickten Dienst­boten; und nicht zuletzt die Spazier­gänge auf der „Bastei“, einer der Wehr­an­lagen, die dem Ausbau der Ring­straße im 19. Jahr­hun­dert zum Opfer fielen, wie in anderen Metro­polen Europas – all diese Einzel­heiten bauen das zeit­ge­nös­si­sche, stets musi­zie­rende Wien auf, wie es der Leser (nicht nur als Beet­hoven-Verehrer) gerne bereisen würde.

Die Krimi­hand­lung, die um Beet­ho­vens Gehör­leiden kreist, die Liebes­ge­schichte, die Atten­tats­pläne der frei­heits­be­feu­erten Studen­ten­bünde – all das ist auf eine Weise inein­ander verwoben, die unge­heuer viel Spaß macht. Und zum Entzü­cken seines Publi­kums klärt Oliver Buslau am Ende noch auf, welche Elemente in Feuer im Elysium nun histo­risch sind und welche fiktiv. Auf diese Weise lernt der Leser nach fast 500 Seiten fetziger Unter­hal­tung auch noch einiges aus der Musik­ge­schichte.