Lars Vogt
Rhapsodischer Zugriff
22. Juni 2021
Lars Vogt reizt Leoš Janáčeks Klavierwerk bis in die Extreme aus.
Leoš Janáčeks Klavierwerk passt – von ein paar unbedeutenden kleinen Stücken abgesehen – gut auf eine CD, es sei denn man nimmt sich allzu viel Zeit. Lars Vogt reizt die Extreme aus, spielt bei den vier Stücken von Im Nebel manches flüchtig hingetupft, ebenso schräg wie scharf gestaucht oder nach vorne getrieben. Das kann man auch, wie Leif Ove Andsnes in einer Referenzeinspielung vor 30 Jahren, verbindlicher und deutlicher ausformulieren. Dennoch überzeugt Vogts Radikalität, zumal er vieles kontrastierend in liebevoll warmes Licht taucht. Die Tontechnik hilft ihm dabei mit einem plastisch realisierten Klang.
Wie ein Lyriker
Unter dem Strich überzeugt dieser oftmals rhapsodische Zugriff, der (Ab- und Aus-) Brüche schärft und die explosive Mischung, das immer wieder plötzliche Auflodern in dieser Musik, aber auch ihr leises Flüstern sprechend zur Geltung bringt. In den erzählerischen Charakterstücken des ersten Teils des 14-teiligen Zyklus Auf verwachsenem Pfade geht Vogt fast wie ein Lyriker vor, bevor er mit der „absoluten“ Musik des zweiten Teils neue Töne anschlägt. Enorme Dichte besitzt die Sonate 1. X. 1905 gleich zu Beginn, deren beide Sätze (Vorahnung / Tod) sich auf die Ermordung eines jungen Handwerkers durch das Militär bei einer Demonstration in Brünn beziehen. Hier gehen sie nahtlos ineinander über und ähneln einander in ihrem jeweils janusköpfigen Charakter.