State­ments zum Waltz-Fidelio

von Axel Brüggemann

18. Mai 2020

en eines älteren Entwurfs bei der Fidelio-Inszenierung in Wien wird diskutiert. Der Architekt Khoa Vu erhebt Vorwürfe des Plagiats gegenüber Bühnenbildner Frank Barkow, während dieser auf Inspiration durch den Bühnenbildner Josef Svoboda verweist. Das Theater an der Wien hat bisher keine Stellung bezogen.

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Ist das Bühnen­bild zur Chris­toph Waltz „Fidelo“-Inszenierung am Theater an der ein Plagiat? Die Szene von Bühnen­bildner und Archi­tekt Frank Barkow (eine opulente Doppel-Helix-Treppe) exis­tierte bis ins Detail genau schon 2013 als Entwurf des in Los Angeles ansäs­sigen Archi­tekten Khoa Vu. Kultur­jour­na­list Axel Brüg­ge­mann, der die Ähnlich­keit in seinem News­letter bei der Klassik-Zeit­schrift Crescendo thema­ti­sierte, zitiert Vu mit den Worten: „Ich war scho­ckiert, als ich die Bilder gesehen habe. Man muss ernst­haft davon ausgehen, dass Barkow meine Idee kopiert hat. Das Team Barkow/​Leibinger hat mich dafür nicht kontak­tiert, geschweige denn eine Zusam­men­ar­beit ange­boten.“ Tatsäch­lich kann auch der Bühnen­bildner selber nicht ausschließen, Vus Entwurf bei den Vorbe­rei­tungen gesehen zu haben. Er verweist gegen­über „Brüg­ge­manns Klassik-Woche“ aller­dings darauf, dass es sich bei seinem Bühnen­bild um ein eigen­stän­diges Kunst­werk handelt: „Das nun zum Vergleich heran­ge­zo­gene Bild ist eine Moment­auf­nahme, die zuge­ge­be­ner­maßen dem Foto des ‚Fidelio‘ Sets sehr ähnelt. Unser Bühnen­bild ist aber nicht als Einzel­auf­nahme, sondern als Sequenz gedacht. Es wurde in engem Austausch mit dem Regis­seur konzi­piert und dient der gesamten Insze­nie­rung mit ihren unter­schied­lichsten Szenen.“ Das Theater an der Wien verweist auf Barkows Antwort und verzichtet zunächst auf eine eigene Stel­lung­nahme. Eine derar­tiger Fall sei am Haus bisher aller­dings noch nie aufge­taucht, heißt es.

Erklä­rung von Khoa Vu:

Dear Axel, 

Thank you for your email. This is Khoa, a desi­gner of the Double Nega­tive project that you mentioned which was done seven years ago in 2013. I recently was aware of this as a few of my colle­agues brought up to me. I was shocked when saw this. This is seriously considered as a copied idea from Barkow Leib­inger.

Best,

Khoa 

Erklä­rung von Frank Barkow:

Wir wollen nicht ausschließen, dass das Bild im Zuge unserer Recherche, auch zu anderen Projekten, gesehen wurde und daher bekannt war. Es ist Teil unserer Arbeit zu Beginn jedes Projektes Bilder und Refe­renzen zu recher­chieren, die für uns inter­es­sant sind. Aller­dings können wir auch sagen, dass das Bild im Entste­hungs­pro­zess des Bühnen­bild­ent­wurfs keine weitere Rolle gespielt hat. Die Inspi­ra­tion für das Set lag viel­mehr im Werk des Bühnen­bild­ners Josef Svoboda, dessen Arbeiten uns Chris­toph Waltz am Anfang der gemein­samen Über­le­gungen vorstellte. Svobodas Bühnen­bilder der 60er Jahre, insbe­son­dere die Rolle von Treppen in seinen künst­le­ri­schen Arbeiten, bildeten den Ausgangs­punkt des Entwurfs­pro­zesses. Die Bühne sollte nicht nur hori­zontal, sondern auch vertikal genutzt werden. So entstand die Idee einer topo­gra­fi­schen Treppe.

Darauf aufbauend formu­lierten wir das Ziel, diesen vorge­fun­denen, statisch und monu­mental wirkenden Topo­gra­phien Aktua­lität und Bewe­gung zu verleihen. Zu diesem Zweck haben wir mit mehreren geome­tri­schen Ausgangs­formen expe­ri­men­tiert und diese durch mathe­ma­ti­sche Wieder­ho­lungs­muster in Bewe­gung versetzt. Das Heran­ziehen einer mathe­ma­ti­schen Matrix bildet übri­gens oft die Grund­lage unserer Archi­tek­turen und Raum­in­stal­la­tionen. Ein Blick auf unsere Arbeiten Loom-Hyper­bolic für die Marrakech Bien­nale, den Fellows Pavillon (), den Pavillon Belve­dere (Fell­bach), den Pavillon Thicket (Berlin, Princeton), aber auch z.B. die Fassade des Tour Total (Berlin), dürfte das deut­lich machen. Zum Thema der mathe­ma­ti­schen Matrix haben wir auch eine Zuschrift des Wiener Mathe­ma­ti­kers Hauser erhalten, die wir zu Deiner Infor­ma­tion beifügen.

Im Fall des Fidelio-Bühnen­bildes erschien uns, nach einigen Versu­chen, die Helix am geeig­netsten, um durch Schrauben, Verschnei­dungen und Kopien einen tiefen, gestuften Raum zu erhalten und einen Effekt von Unend­lich­keit zu erzeugen. Diese so geome­trisch abge­wan­delte Helix hat den Vorteil, dass aus verschie­denen Blick­rich­tungen völlig neue Räume entstehen. Zunächst war es sogar geplant eine Dreh­bühne zu verwenden. Da dies tech­nisch schwierig umzu­setzen und daher finan­ziell extrem aufwändig gewesen wäre, haben wir, um mit dem stehenden Bild dennoch den Eindruck von Dynamik zu erzielen, im Laufe des Entwurfs­pro­zesses die Grund­form multi­pli­ziert und mit der Beleuch­tung die unter­schied­li­chen Räume entstehen lassen.

Das nun zum Vergleich heran­ge­zo­gene Bild ist eine Moment­auf­nahme, die zuge­ge­be­ner­maßen dem Foto des Fidelio Sets sehr ähnelt. Unser Bühnen­bild ist aber nicht als Einzel­auf­nahme, sondern als Sequenz gedacht. Es wurde in engem Austausch mit dem Regis­seur konzi­piert und dient der gesamten Insze­nie­rung mit ihren unter­schied­lichsten Szenen. Für die Wahl des Winkels der Helix und die Aufstel­lung des Raum­kör­pers auf der Bühne war maßgeb­lich, dass das Bühnen­bild von den verschie­denen Plätzen im Zuschau­er­raum aus möglichst ähnlich aussehen soll. Wäre es zu dem Einsatz einer Dreh­bühne gekommen, wäre die Unter­schied­lich­keit der beiden Archi­tek­turen sicher­lich deut­lich ablesbar. 

Um also auf die zweite Frage des Jour­na­listen zu antworten: Unserer Auffas­sung nach sind beide Archi­tek­turen Origi­nale. Wie man in dem Port­folio von Khoa Vu sieht, hat er seine Studie in ein Biblio­theks­ge­bäude (http://​www​.khoavu​.com/​p​r​o​j​e​c​t​s​#​/​l​i​b​r​a​ry/) weiter­ent­wi­ckelt, die mit unserem Bühnen­bild nun wirk­lich nicht mehr viel zu tun hat.