Putins Mobilmachung ändert Meinug des Tenors
Torsten Kerl sagt Currentzis-Auftritt in Moskau ab
von Axel Brüggemann
27. September 2022
Der Tenor Torsten Kerl hat seine Teilnahme an einer Aufführung von "Tristan und Isolde" in Moskau abgesagt, da er Auftritte in Russland während des Kriegs nicht gutheißen kann. Die russische Mobilmachung und die familiären Verbindungen seiner russischen Ehefrau dazu haben seine Entscheidung beeinflusst.
Von Axel Brüggemann
Der Tenor Torsten Kerl hatte zugesagt, im Oktober gemeinsam mit Teodor Currentzis und MusicAeterna in einer Aufführung von „Tristan und Isolde“ in Moskau aufzutreten. Auch, weil er familiäre Verbindungen zu Russland hat. Er glaubte daran, dass Musik Menschen verbinden kann. MusicAeterna hatte seinen Namen bereits veröffentlich und Tickets angeboten. Doch die russische Mobilmachung hat die Meinung des Sängers geändert – in einem offenen und mutigen Schreiben, teilte er dem Orchester und den Veranstaltern in St. Petersburg und Moskau nun mit, dass er derzeit nicht in Russland auftreten will, und dass er Auftritte im Russland in diesen Kriegszeiten nicht gutheißen kann. Hier veröffentlichen wir exklusiv die Absage von Torsten Kerl im Wortlaut.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Leider sehe ich mich gezwungen, meine bisher nur mündlich erfolgte Zusage an Ihrem Tristan-Projekt in Moskau und St. Petersburg zu widerrufen und somit meine Teilnahme an diesem Projekt ganz abzusagen.
Dies ist mir nicht leicht gefallen, da ich zunächst trotz des Angriffs-Krieges durch Russland auf die Ukraine und den damit für mich verbundenen moralischen Bedenken, dem von mir sehr verehrten Russischen Publikum und den Russischen Musikern gegenüber durch meine Mitwirkung an diesem Projekt meine Unterstützung und Wertschätzung zeigen wollte.
Für mich hat die Mobilmachung die Lage verändert und zwang mich zur Neubewertung meiner Unterstützung
Torsten Kerl an MusicAeterna
Durch die nun erfolgte Anordnung einer Teilmobilmachung von Reservisten (Zivilisten) durch das Russische Régime hat sich die Situation aber für mich und meine zum Teil Russische und Ukrainische Familie deutlich verändert und zwang mich zu einer Neubewertung meiner Unterstützung.
Der Sohn meiner russischen Ehefrau, Teile der Familie meiner Schwiegereltern und viele meiner Freunde und Kollegen sind von dieser Teilmobilmachung unmittelbar auf das härteste betroffen und somit betrifft mich ihr Schicksal nun auch selbst unmittelbar.
Durch diese neuerliche Eskalation in diesem Konflikt ist es für mich, meiner Familie und meinen betroffenen Freunden und Kollegen gegenüber zum jetztigen Zeitpunkt sowohl menschlich als auch moralisch nicht mehr vertretbar in Russland als Künstler aufzutreten.
Ich bitte Sie um wenigstens etwas Verständnis für meine Entscheidung, das Projekt hiermit abzusagen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Torsten Kerl