Vladimir Soltan
Kantilenen und Kapriolen
13. April 2021
Vladimir Soltan vereint auf seinem Album mit dem Utrecht String Quartet die beiden gegensätzlichen Klarinettenquintette von Paul Hindemith und Max Reger.
Damit kann man seinen musikalischen Freundeskreis auf die Probe stellen und verblüffen: Wer vermag zu hören, wie sich der erste und der letzte Satz von Paul Hindemiths Klarinettenquintett zueinander verhalten – über ähnlichen Gestus und motivische Verwandtschaft hinaus? Des Rätsels Lösung: Der alte Notenfuchs lässt als Finale die Eröffnung „einfach“ von hinten nach vorne ablaufen, Ton für Ton in jeder Stimme! Ein Insider-Gag, der sich auch analytisch geschulten Ohren nicht auf Anhieb erschließt und wieder einmal den hintersinnigen Humor des Komponisten ebenso zeigt wie seinen Hang zu handwerklichen Herausforderungen.
Im Tonfall zumeist frech und aufmüpfig, wenn auch in der suitenhaften Form leicht fasslich und überschaubar mit seinen spiegelsymmetrisch um ein geheimnisvolles Adagio im Zentrum angeordneten fünf Sätzen kommt dieses 1923 komponierte und 1955 überarbeitete Quintett op. 30 daher. Es entwirft in knapp 21 Minuten eine völlig andere Klangwelt als das nur sieben Jahre ältere, fast doppelt so lange Schwesterwerk Opus 146 von Max Reger: Als dessen Schwanengesang schon posthum 1916 uraufgeführt, waltet hier noch eine in die Breite gehende, an Zeitgenossen wie Richard Strauss oder dem verehrten Vorgänger Brahms orientierte Spätestromantik – ohne weltabgewandte Todesahnung, aber voll herbstlich-friedvoller Schönheiten in einem vielgestaltigen, nicht enden wollenden Adieu. Vladimir Soltan und das Utrecht String Quartet beherrschen freilich beide Idiome mit derselben Überzeugungskraft: Aus butterweichem Ansatz entwickelt der Klarinettist seine Kantilenen mit langem Atem; gemeinsam tauchen die fünf in nächtliche Ausdruckstiefen hinab und delektieren sich hörbar lustvoll an manch akrobatischer Kratzbürstigkeit.