Alexander Skrjabin
„Ich bin Gott, ich bin das Erblühen.“
von Ruth Renée Reif
5. Januar 2022
Alexander Skrjabin war ein genialer Pianist und Komponist, und er träumte von einer transzendentalen Liturgie der Sinne. Am 6. Januar 2022 jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal.
Geboren 1872 am russischen Weihnachtstag, gestorben 1915 zu Ostern –Alexander Skrjabin war nicht nur ein genialer Komponist und Pianist, sondern auch ein Mystiker. In der Saison nach seinem Tod 1916/1917 soll es nach Darstellung des Historikers Karl Schlögel in Petrograd nur ein einziges Sinfoniekonzert gegeben haben. Es war dem Werk Skrjabins gewidmet und fand am 22. Februar 1917 statt. Am nächsten Tag brach die Februarrevolution los.
»Ich entfache deine Fantasie durch den verborgenen Zauber meiner Versprechungen. Ich schmücke dich mit der Erhabenheit meiner Werke. Ich bedecke den Himmel deiner Wünsche mit den blitzenden Sternen meiner Schöpfungen.«
In seinem Roman Skrjabin. Poem der Ekstase zitiert Friedrich Gorenstein aus Skrjabins Aufzeichnungen.
Auf den jungen Boris Pasternak übte Skrjabin eine ungeheure Wirkung aus. „Wenn ich ihn sah“, schrieb Pasternak in seinem autobiografischen Geleitbrief, „erbleichte ich, um gleich darauf über das Erbleichen zu erröten. Wenn er mich anredete, setzte mein Verstand aus, und ich hörte, wie ich unter allgemeinem Gelächter eine sinnlose Antwort gab – aber was ich eigentlich sagte, das hörte ich nie. Ich wusste, dass er das alles erriet, doch er kam mir kein einziges Mal zu Hilfe.“ Skrjabins Musik empfand Pasternak „voll einer verwunderten Bereitschaft zur Hingabe, die durch nichts in der Welt gestillt wurde“.
Der Dichter, Philologe und Kopf des Petersburger Symbolismus Wjatscheslaw Iwanow sah in Skrjabins Musik den Ausdruck der „Fundamente des menschlichen Geistes“ und des „Ideals der heroischen Selbstaufopferung im Namen des Ganzen“. Skrjabin habe die „Menschen zu einem Chor versammelt, der nun darangeht, das ganze Land von Grund auf umzugestalten“.
„Musikalische Kolossalgemälde“ nannte der Dirigent und Musikwissenschaftler Kurt Pahlen die Werke Skrjabins, fesselnd durch ihre Idee und ihre weit in die Zukunft weisende Technik. Neben Préludien, Etüden, Sonaten und weiteren Klavierstücken hinterließ er u.a. drei Sinfonien und drei Tondichtungen. Er entwickelte sein eigenes Tonsystem. Alle melodische und harmonische Gestaltung leitete er aus einem mehrtönigen, auf alle 12 Stufen transponierbaren Klangzentrum ab, seinem „mystischen Akkord“.
Einen Förderer fand Skrjabin in dem Dirigenten Sergei Kussewizki. 1910 unternahmen sie eine Wolga-Tournee. Auf einem Raddampfer mit einem Orchester und dem Bechstein-Flügel Skrjabins an Bord fuhren sie einen Monat lang bis Astrachan im Wolga-Delta und gaben Konzerte. 1911 dirigierte Kussewizki in Moskau die Uraufführung von Skrjabins Sinfonischer Dichtung Prométhée. Le Poème du feu. Eine Woche darauf brachte er das Werk in Petersburg zur Aufführung. Auch die Sinfonische Dichtung Le Poème de l’extase, die, wie Schlögel betont, bei den Zuhörern eine Ekstase ausgelöst hätten, führte er auf.
»Ich bin ein Nichts, ich bin ein Spiel, ich bin die Freiheit, das Leben, ich bin eine Grenze, ein Gipfel, ich bin Gott, ich bin das Erblühen, die Glückseligkeit, die das Weltall ergreifende Flamme…«
In seinem Roman Skrjabin. Poem der Ekstase zitiert Friedrich Gorenstein aus Skrjabins Aufzeichnungen.
Und schließlich ermöglichte Kussewizki es Skrjabin, in Ruhe an seinem Traum vom rhapsodischen Mysterium zu arbeiten. Ein gigantisches Gesamtkunstwerk mit Massenchören und voller Orchestrierung oben im Himalaja sollte es werden.
Pervez Mody legt eine Gesamteinspielung der Klavierwerke von Alexander Skrjabin vor. Mehr dazu unter: CRESCENDO.DE