Antoine Vitkine
Politthriller um den Erlöser der Welt
von Ruth Renée Reif
9. April 2021
Salvator mundi birgt ein Staatsgeheimnis und gibt viele Rätsel auf. Antoine Vitkine widmet sich dem Gemälde in einem Dokumentarfilm, den am 13. April 2021 der Fernsehsender France 5 ausstrahlt.
Antoine Vitkine betritt Neuland mit seinem Dokumentarfilm. Bisher widmete er sich vor allem politischen Themen wie Ronald Reagan, Muammar al-Gaddafi, Nicolas Sarkozy und dem Nationalsozialismus. Mit Salvator mundi – la stupéfiante affaire du dernier Vinci (Salvator mundi – die atemberaubende Streitsache des letzten Vinci) begibt er sich in die Welt der Schönen Künste.
Antoine Vitkine ist überzeugt, dass dieses Gemälde zentrale politische Fragen aufwerfe. Denn es erzähle von der Globalisierung, dem Wirken internationaler Kräfte, stelle die Frage nach unserem Bezug zur Wahrheit, zur wissenschaftlichen Wahrheit gegenüber der kommerziellen Wahrheit und trage ein Staatsgeheimnis in sich. Das Gemälde erregte erstmals die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, als es 2017 bei einer Versteigerung über 450 Millionen Dollar erzielte und verschwand. Einen solchen Betrag habe noch nie ein Kunstwerk bei einer Versteigerung erzielt, hieß es. Zugeschrieben wurde das Gemälde damals Leonardo da Vinci.
Antoine Vitkine beginnt seinen Film mit der großen Leonardo-da-Vinci-Ausstellung, die der Pariser Louvre 2019 zeigte. Die Kunstwelt erwartete, dass das Gemälde Salvator mundi in dieser Ausstellung auftauchen würde. Aber das tat es nicht. Tatsächlich hatte der Louvre es als Leihgabe für die Ausstellung erbeten, und es kam auch nach Paris. Mit neuen Techniken wurde es aufwändig untersucht. Die Gutachter kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass es nicht von Leonardo selbst gemalt war.
Die Entscheidung, das Bild zurückzuweisen, war ein Politikum. Denn der geheime Eigentümer war der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. Die Zurückweisung gefährdete die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Saudi-Arabien. Wie Antoine Vitkine herausfand, stand der französische Staatspräsident Emmanuel Macron jedoch zur Entscheidung des Louvre. Das Gemälde wurde nach Saudi-Arabien zurückgeschickt. Die Hintergründe dieser Geschichte und auch die Gutachten des Louvre blieben bisher geheim.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Provenienz eines Kunstwerks entscheidend für die Zuschreibung. Und diese weist insbesondere in den Jahrhunderten nach der Entstehung von Salvator mundi viele Lücken auf. Um 1500 soll das Gemälde gemalt worden sein. Zeitgenossen aber erwähnen es nicht. Leonardo war damals 48 Jahre alt. Von 1482 bis zum Sturz der Sforza 1499 befand er sich an deren Hof in Mailand. 1498 vollendete er das Gemälde Das Abendmahl, das neben der 1503 entstandenen Mona Lisa zu den berühmtesten Bildern des Abendlandes gehört. Leonardo, der am Mailänder Hof auch Theater- und Festdekorationen entwarf und bei Vorstellungen sogar selbst Regie führte, beschäftigte zahlreiche Gehilfen und Schüler wie Giovanni Antonio Boltraffio, Ambrogio de Predis, Bernardino di Conti, Francesco Napoletano, Andrea Solari, Marco d’Oggione und Salaì. Ab 1500 befand er sich in Florenz, wo er wissenschaftliche Studien betrieb und zum Leidwesen seiner Auftraggeber nur selten zum Pinsel griff.
Im 17. Jahrhundert soll sich das Gemälde Salvator mundi in der Sammlung des englischen Königs Charles I. befunden haben, wobei es sich jedoch wahrscheinlich um ein anderes Bild handelte. Belegt ist wohl erst um 1900 die Zugehörigkeit des Gemäldes zur Kunstsammlung der englischen Textilhändlerfamilie Cook. Allerdings wurde das Gemälde damals als Arbeit von Leonardos Schüler Boltraffio angesehen.
Der weitere Weg des Gemäldes führte in die USA und zu dem New Yorker Kunsthändler Robert Simon. Diesem gelang ein entscheidender Coup. 2011 sollte es im Rahmen einer Leonardo-Ausstellung der National Gallery gezeigt werden. Dafür wurde es von der Konservatorin Dianne Dwyer Modestini restauriert und Leonardo zugeschrieben. Aus der Schülerarbeit wurde über Nacht ein Meisterwerk. Und Salvator mundi galt nun als das einzige, das sich von insgesamt nur 15 erhaltenen Werken Leonardos in privater Hand befindet. Zweifel blieben allerdings. 2013 wurde es über das Aktionshaus Sotheby’s an den Kunsthändler Yves Bouvier verkauft. 80 Millionen Dollar soll er dafür gezahlt haben. Und von da an stieg der Preis des Gemäldes stetig an, was allerdings die Zweifel nicht ausräumte. Der russische Unternehmer Dmitri Jewgenjewitsch Rybolowlew, der es noch im gleichen Jahr erwarb, zahlte bereits über 100 Millionen Dollar.
2017 kam es bei Christie’s in New York zu jener Versteigerung, die Schlagzeilen hervorrief. Für über 450 Millionen Dollar wurde das Gemälde an einen unbekannten Bieter verkauft und verschwand von der Bildfläche. Unzählige Spekulationen wurden seither angestellt und zahllose Experten gaben ihre Meinung ab. Ob der Film von Antoine Vitkine alle Geheimnisse um das Gemälde zu lüften vermag, bleibt abzuwarten.
Antoine Vitkine: Salvator mundi – la stupéfiante affaire du dernier Vinci wird am 13. April 2021 um 20:50 Uhr von dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender France 5 ausgestrahlt.