Kultursekretariate in Nordrhein-Westfalen

Offener Brief an Angela Merkel

von Ruth Renée Reif

3. Dezember 2020

Die Kultursekretariate in Nordrhein-Westfalen wandten sich in einem offenen Brief an Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie forderten, die durch den Lockdown gefährdete Kulturlandschaft nachhaltig zu schützen.

Das Kultur­se­kre­ta­riat NRW Gütersloh und das NRW KULTUR­se­kre­ta­riat () appel­lierten als Insti­tu­tionen der kommu­nalen Kultur­för­de­rung und Kultur­po­litik an den Bund, die Länder und die Kommunen, einen nach­hal­tigen Rettungs­schirm über die Kultur zu spannen. Im Namen der rund 100 Mitglieds­städte forderten sie, die 2020 einge­rich­teten Hilfs­maß­nahmen während der kommenden fünf Jahre fort­zu­führen, um den Erhalt der kultu­rellen Infra­struktur zu sichern.

Wir bringen das Schreiben in vollem Wort­laut:

Sehr geehrte Frau Bundes­kanz­lerin, sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

mit ihren rund 100 Mitglieds­städten möchten sich die beiden Kultur­se­kre­ta­riate in NRW als Insti­tu­tionen der kommu­nalen Kultur­för­de­rung und Kultur­po­litik heute mit dem drin­genden Appell an Sie wenden, die durch den kompletten Lock­down gefähr­dete Kultur­land­schaft in nach­haltig zu schützen.

Die pande­mie­be­dingten Einschrän­kungen haben den Kultur­be­trieb flächen­de­ckend schwer erschüt­tert und stellen die Zukunft des kultu­rellen Lebens in den Städten und Gemeinden vor große Heraus­for­de­rungen. Durch die erhöhten Anfor­de­rungen an den Kultur­be­trieb im Zuge grund­le­gender Verän­de­rungs­pro­zesse (Entwick­lung neuer Formate, Digi­ta­li­sie­rung, Agilität) bei gleich­zeitig großen finan­zi­ellen und struk­tu­rellen Unsi­cher­heiten (wegbre­chendes Publikum, sinkende Einnahmen) geraten zahl­reiche Kultur­ein­rich­tungen in eine exis­tenz­be­droh­liche Notsi­tua­tion und rufen ihre Kommunen um Hilfe an. Es zeichnet sich jedoch ab, dass auch die kommu­nalen Haus­halte in eine zuneh­mend schwie­ri­gere Lage kommen.

Die gut inein­an­der­grei­fenden Hilfs­pro­gramme, die von Bund und Ländern in diesem Jahr schnell und unbü­ro­kra­tisch aufge­legt wurden, sind für die Kultur eine beacht­liche Unter­stüt­zung. Es steht aller­dings zu befürchten, dass im Zuge künf­tiger Konso­li­die­rungs­maß­nahmen der Vertei­lungs­kampf um Förder­mittel zu Ungunsten für die Kultur ausgeht. Dies beob­achten wir mit großer Sorge, denn Kultur ist weit mehr als nur Frei­zeit­ge­stal­tung. Sie ist ein wesent­li­ches Element unserer Demo­kratie und damit in beson­derer Weise schüt­zens­wert. Die Hilfs­maß­nahmen müssen daher drin­gend fort­ge­setzt und weiter ausge­baut werden.

Im Namen der Städte und Gemeinden möchten wir Denk­an­stöße für die kultur­po­li­ti­sche Weichen­stel­lung zum Schutz der Kultur formu­lieren und dazu in einen engen Dialog kommen:

• Die bestehende kultu­relle Infra­struktur muss mit vereinten Kräften erhalten bleiben. Sie darf nicht den künf­tigen Spar­zwängen zum Opfer fallen!

• Bund, Länder und Kommunen müssen in engem Schul­ter­schluss einen nach­hal­tigen Rettungs­schirm über die Kultur spannen, der eine Fort­set­zung der in 2020 etablierten Hilfs­maß­nahmen über die kommenden fünf Jahre (mindes­tens) für den Erhalt der kultu­rellen Infra­struktur gewähr­leistet. Es bedarf abge­si­cherter Unter­stüt­zungs­maß­nahmen.

• Bund und Länder müssen die Kommunen in ihrer Verant­wor­tung, die kultu­relle Daseins­vor­sorge zu erhalten, maßgeb­lich flan­kieren, unter­stützen und bestärken.

• Es bedarf auf über­ge­ord­neter Ebene diffe­ren­zierter Vorge­hens­weisen bei der Wieder­eröff­nung von Kultur­ein­rich­tungen.

• Das große Poten­zial der Kultur für die Innen­stadt­ent­wick­lung muss in den kommenden Jahren stärker entfaltet werden.

• Neue sparten- und ressort­über­grei­fende Kultur­for­mate müssen geför­dert werden, die eine breite Betei­li­gung ermög­li­chen.

• Außer­schu­li­sche Bildungs­an­ge­bote in Kultur­ein­rich­tungen müssen gestärkt und entspre­chende Koope­ra­tionen mit Schul­trä­gern verläss­lich ausge­baut werden.

Die überaus große gesamt­wirt­schaft­liche Bedeu­tung der Kultur und Krea­tiv­wirt­schaft ist hinläng­lich nach­ge­wiesen. Über die wirt­schaft­liche Dimen­sion hinaus sind aber Kunst und Kultur von kaum zu über­schät­zender Bedeu­tung für die Möglich­keit (inter-)kultureller Begeg­nung und Teil­habe, der Ausein­an­der­set­zung mit wesent­li­chen Fragen der Gegen­wart und Zukunft. Sie sind Wirt­schafts­fak­toren und Sinn­stifter als Träger geis­tiger und gesell­schaft­li­cher Werte, gerade in Zeiten der Krise. Um die Demo­kratie als ihren notwen­digen Rahmen nicht in Gefahr zu bringen, darf es auf keinen Fall zur kultu­rellen Verödung unserer Städte und damit des Gemein­we­sens kommen. Eine intakte kultu­relle Infra­struktur ist eine entschei­dende Voraus­set­zung hierfür. Dies alles ange­messen zu unter­stützen ist eine wich­tige öffent­liche Gemein­schafts­auf­gabe.

Helfen Sie uns dabei, die Kultur zu stärken, wo Demo­kratie täglich gelebt und erstritten werden muss: in den Städten und Gemeinden.

Für das NRW KULTUR­se­kre­ta­riat (Wuppertal)

Dr. Chris­tiane Zangs
Vorsit­zende

Jörg Stüde­mann
Stellv. Vorsit­zender

Für das Kultur­se­kre­ta­riat NRW Gütersloh

Andreas Kimpel
Vorsit­zender

Horst Müller-Baß
2. Vorsit­zender

>

Weitere Informationen unter: nrw-kultur.de