Baiba Skride

Liebe zur roman­ti­schen Tradi­tion

von Roland H. Dippel

30. November 2019

Anlässlich des 200. Geburtstags lud Andris Nelsons das Skride Piano Quartet ein, Clara Schumanns Romanzen zu spielen. Ein Gespräch mit Baiba Skride über die Herausforderung, Künstlerin zu sein.

Anläss­lich des 200. Geburts­tags lud das Skride Piano Quartet ein, Clara Schu­manns Romanzen für Violine und Klavier im Leip­ziger Gewand­haus zu spielen. Ein CRESCENDO-Gespräch mit über die Vorteile und die Heraus­for­de­rung, in der heutigen Zeit Künst­lerin zu sein.

CRESCENDO: Sie sind eine viel reisende und verhei­ra­tete Musi­kerin und Mutter – wie . Was ist für Sie heute anders als in der Mitte des 19. Jahr­hun­derts?
Baiba Skride (Foto oben: © Marco Borggreve): Fast alles. Im Vergleich zu Clara Schu­mann habe ich fast nur Vorteile. Dafür bin ich meinem Mann sehr dankbar. Er hält in unser Zuhause zusammen, versorgt die Kinder und hilft mir bei der Planung von allem. Das war zur Zeit Robert Schu­manns für einen Fami­li­en­vater nicht üblich. Aller­dings sind unsere Kinder bereits sieben und elf Jahre alt. Meine Abwe­sen­heit ist also eine verhält­nis­mäßig geringe Schwie­rig­keit.

Baiba Skride: »Ein Auftritt mit den Wiener Phil­har­mo­ni­kern ist ein ganz großer Wunsch«

Haben Sie noch offene Wünsche?
Ein Auftritt mit den Wiener Phil­har­mo­ni­kern hat sich bisher nicht verwirk­licht. Das ist ein ganz großer Wunsch für den Fall, dass ich noch einige Jahre weiter­ma­chen kann wie bisher. Ich versuche realis­tisch zu sein: Die Konkur­renz ist groß. Also muss man mit den Gedanken immer voraus sein, immer an sich arbeiten, immer weiter üben und das Beste geben. 

Baiba Skride: „Einspie­lungen sind ein persön­li­ches Vermächtnis und doku­men­tieren den Entwick­lungs­stand zu einem bestimmten Zeit­punkt.“ (Foto: © Marco Borggreve)

Bedeutet „sich behaupten“ für Sie eher eine Einschrän­kung oder eine Entfal­tungs­mög­lich­keit?
Es ist immer eine große Heraus­for­de­rung, mit heraus­ra­genden Kollegen und Kolle­ginnen zu arbeiten. Im Ideal­fall ergeben sich lang­jäh­rige Part­ner­schaften. So war es bei unserem Klavier­quar­tett. Mit meiner Schwester, deren Groß­her­zig­keit ich immer bewun­dere, bin ich seit Beginn unserer Lauf­bahn auch musi­ka­lisch sehr vertraut. Aber es ist nicht selbst­ver­ständ­lich, in einem Ensemble wie unserem Klavier­quar­tett Werke zu erar­beiten und immer tiefer zu verfei­nern. Ich denke, die anste­hende -­Tournee wird uns künst­le­risch noch enger zusam­men­bringen. Viel­leicht klappt es sogar mit einem Kompo­si­ti­ons­auf­trag. Sie merken: Es über­wiegt die Entfal­tungs­frei­heit.

Baiba Skride: «Als musi­ka­li­sches Doku­ment halte ich Alben für sehr bedeutsam.«

Wie wichtig sind für Sie Aufnahmen?
Als musi­ka­li­sches Doku­ment halte ich Alben für sehr bedeutsam – nicht als Werbung. Einspie­lungen sind ein persön­li­ches Vermächtnis und doku­men­tieren den Entwick­lungs­stand zu einem bestimmten Zeit­punkt. Die persön­liche Entwick­lung geht weiter, aber das Doku­ment – ob wert­be­ständig oder nicht – bleibt. Das gilt auch für meine anste­hende Gesamt­ein­spie­lung der fünf Violin­kon­zerte von Mozart. Ich will der Welt das hinter­lassen, was ich empfinde. Ich stehe zu meinem roman­ti­schen Stil und gestehe, dass ich mit der histo­risch infor­mierten Auffüh­rungs­praxis nicht so viel anzu­fangen weiß. Eine tiefe Stim­mung auf 436 Hz ist für mich stel­len­weise sogar schmerz­haft, weil ich ein höhen­ori­en­tiertes abso­lutes Gehör habe.

Baiba Skride: „Meine Favo­riten sind die Violin­kon­zerte von Dmitri Schost­a­ko­witsch und Béla Bartók.“ (Foto: © Marco Borggreve)

Was waren beson­dere Signal­punkte in Ihrer künst­le­ri­schen Entwick­lung?
Ganz beson­ders wichtig war für mich Andris Nelsons, als ich in 2001 unter ihm zum ersten Mal das Beet­hoven-Violin­kon­zert spielte. Ich bewun­dere ihn als Sinfo­niker und bin glück­lich, dass wir uns gefunden haben. Ein anderer Durch­bruch waren zwei Tage Austausch mit dem Cellisten Boris Perga­men­schikow. Sein unglaub­li­ches Wissen, seine Hingabe und seine Liebe zur Musik wurden für mich essen­ziell. Nach 20 Jahren denke ich immer noch daran.

Baiba Skride: »Ich liebe alles ab der Wiener Klassik.«

Wo fühlen Sie sich in der Musik am wohlsten?
Ich liebe alles ab der Wiener Klassik. Bei Barock­musik haben andere Künstler mehr zu sagen als ich. Meine Favo­riten sind die Violin­kon­zerte von und . Ich will mich nicht fest­legen. Hier im Gewand­haus denke ich: Schu­mann ist genial. Aber ich habe mich auch genauso gefreut auf die Urauf­füh­rung des Violin­kon­zerts A Portrait of a Lady by Swan Lake von Viktoria Boris­sova-Ollas mit dem Royal Phil­har­monic Orchestra im Konser­thuset Stock­holm im September.
Haben Sie enzy­klo­pä­di­sche Ansprüche?
Das kommt auf die Kompo­nisten an, nicht auf Trends. Bei den zehn Beet­hoven-Sonaten zögere ich, obwohl es keinen besseren Zeit­punkt der Veröf­fent­li­chung gäbe als das Jubi­lä­ums­jahr 2020. Bei Mozart ist das anders. Die fünf Violin­kon­zerte mit dem Swedish Chamber Orchestra kommen gerade im rich­tigen Augen­blick.

Béla Bartók: Violin­kon­zert Nr. 2 und Rhap­so­dien für Violine und Orchester, Baiba Skride, WDR Sinfo­nie­or­chester , Eivind Aadland ()
www​.amazon​.de

Weitere Infor­ma­tionen und Auftritts­ter­mine: www​.baiba​-skride​.com

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