News | 06.03.2022

Denk­wür­dige Première von „Peter Grimes“ in München

von Redaktion Nachrichten

6. März 2022

Die Inszenierung von Benjamin Brittens Oper "Peter Grimes" an der Bayerischen Staatsoper, inszeniert von Stefan Herheim, ist ein großer Erfolg. Die Besetzung, Regiearbeit und Orchesterleistung werden sehr gelobt, aber die Umsetzung des Stücks ist angesichts des Ukraine-Kriegs schwer zu ertragen.

Soll man am Applaus die Akzep­tanz messen, wenn eine Oper auf erschre­ckende Weise ins Hier und Heute passt und wohl genauso viel Entsetzen darüber herrscht wie Begeis­te­rung über eine beein­dru­ckende Première? Stefan Herheims Insze­nie­rung von Benjamin Brit­tens 1945 urauf­ge­führter Oper „Peter Grimes“ an der Baye­ri­schen Staats­oper ist ein großer Wurf – und gerade deswegen aktuell ange­sichts des -Kriegs in seiner Über­zeu­gungs­kraft schwer erträg­lich.

"Peter Grimes"

„Peter Grimes“

Schließ­lich hatte Britten das Werk als Pazi­fist im US-ameri­ka­ni­schen Exil geschrieben. Dass Staats­opern­in­ten­dant Serge Dorny vor der Auffüh­rung am Sonntag an den Wert von Frei­heit und Demo­kratie erin­nerte und das Publikum im Stehen Beet­ho­vens „Ode an die Freude“ erlebte – ein denk­wür­diger Moment. Wie auch die Tatsache, dass wegen Corona-Erkran­kungen niemand aus dem Regie­team den tosenden Schluss­ap­plaus auf der Bühne entge­gen­nehmen konnte.

Herheim erzählt in seiner ersten Regie­ar­beit im Haus am Max-Joseph-Platz die tragi­sche Geschichte um Urteil, Vorur­teile und die Ausweg­lo­sig­keit um Peter Grimes in starken, teil­weise surrea­lis­ti­schen Bildern. Das graue Tonnen­ge­wölbe auf der Bühne kann ebenso Kathe­drale wie Fisch­auk­ti­ons­halle sein, ist aber immer ein Ort des Schei­terns aller Huma­nität. Beleuch­tungs­ef­fekte verdeut­li­chen den Sog in die Ausweg­lo­sig­keit, dem der von den eignen fixen Ideen und abwei­sender Dorf­ge­sell­schaft gefes­selte Prot­ago­nist ausge­setzt ist.

Eben­falls ein großer Wurf ist die Beset­zung. hat viel Erfah­rung mit der Rolle des Peter Grimes und formt mit makel­loser Stimm­füh­rung eine nuan­cen­reiche, manie­hafte Charak­ter­studie des Fischers. ist eine um Peter eindrucks­voll pädago­gisch bemühte, aber hilf­lose Ellen Orford mit über­zeu­gender musi­ka­li­scher Gestal­tung, ein glaub­wür­diger Balstrode. Stel­lario Fagone hat den Chor auf die wich­tige Rolle als stig­ma­ti­sie­rende Dörfler perfekt vorbe­reitet, der Chor gibt dem Hand­lungs­ver­lauf so immer wieder wuch­tige Dynamik. leitet das Staats­opern­or­chester souverän und lotet die Fein­heiten der Partitur ebenso aus wie die großen drama­ti­schen Ausbrüche.

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